Markus sägt mit seiner Motorsäge einen Teil Maske ab
Handwerk
LesenSehen
Autor: Inge Fuchs
Fotos: Hanno Meier

Der Zombie-Macher

Ein Keller voll gehörnter Biester und schrecklicher Fratzen. Schöpfer dieser furchteinflößenden Kreaturen ist Markus Spiegel. Durch sein Handwerk haucht er einem Stück Holz Leben ein und wahrt eine uralte Tradition.

Ein Totenschädel blickt von oben auf die Werkbank. Auf der Schädeldecke türmen sich die Sägespäne. An die beiden Hölzer, die Markus aneinander geleimt hat, schraubt er eine silberne Metallplatte und befestigt das Konstrukt am Schraubstock. Dann zückt er die Kettensäge und stutzt den Holzklotz zurecht. Die Späne sprühen durch den Raum. Nach und nach ragen Nase, Stirn und Kinn hervor. Der Rohling für eine schaurige Grimasse.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Perchten vs. Krampus

Sogenannte Perchten sind sagenhafte Gestalten aus dem bairisch-österreichischen Raum. Sie sind gekleidet in zotteligen Tierfellen, haben schwere Schellen umgehängt und verstecken ihr Gesicht hinter einer geschnitzten Zirbenholzmaske. Zwischen den Jahren ziehen sie in großen Gruppen durch Städte und Dörfer. So jagen sie das alte Jahr, den Winter und böse Geister davon. Ein Jahrhunderte altes Brauchtum, das seinen Ursprung wohl in heidnischen Riten findet. In ähnlicher Montur, aber mit anderem Hintergrund, sind Krampusse unterwegs. Der Krampus, auch Bartl genannt, ist der Begleiter des Nikolaus und bestraft Kinder, die übers Jahr unartig waren.

Geburtsstätte des Grauens: In seinem Keller schnitzt und bemalt Markus Masken für Perchten- und Krampusläufe.

Horror hausgemacht

„Als kleiner Bub, so mit zehn, zwölf Jahren, wollten meine Freunde und ich ein bisserl Krampus spielen“, erzählt Markus von seinen Anfängen. Sie haben sich Masken aus Kartons gebastelt, um in der Nacht Leute zu erschrecken. Die Angst, selbst vom Krampus erwischt zu werden, war aber bei weitem größer als der Wagemut. Die Buben wurden älter und die Faszination war immer noch da. Doch die gängigen Masken entsprachen nicht Markus Vorstellungen. „Entweder musstest du für solche Masken um die halbe Welt fahren oder sie waren schlichtweg zu teuer“, erklärt er. Vor 20 Jahren griff er dann zu Holzblock und Stemmeisen und begann im Wohnzimmer seine eigenen Masken zu schnitzen.

Zunächst war Markus der Einzige, der die Masken trug. Doch nach und nach kamen Freunde und Kollegen auf ihn zu. Die Nachfrage stieg und Markus machte sich mit der Schnitzerei selbstständig. „Ich konnte gut davon leben, bis Corona kam,“ erzählt er. Zum Glück entdeckte er zu dieser Zeit eine Stellenanzeige bei der Berufsfeuerwehr und bekam prompt den Job. Schicht und Schnitzen lassen sich miteinander vereinbaren. „Heuer schaut’s wieder gut aus mit den Krampusläufen, dann wird das Geschäft mit den Masken auch wieder laufen.“

Die Toten wandeln lassen

Markus steht vor der Werkbank. An der Wand hängen Stemmeisen in unterschiedlichen Größen und Biegungen. Er pickt das passende Werkzeug heraus, setzt es am Holz an und lehnt den Oberkörper nach vorne. Dann gleitet er an den Konturen entlang. „Lieber mit Körperkraft als mit dem Klöppel“, sagt er. Das sei zwar anstrengender, dafür arbeite er mit mehr Gefühl. Auch wenn das, was da vor ihm liegt, eher gefühllos ist. Denn die Gruppe, für die Markus gerade schnitzt, hat sich von der TV-Serie „The Walking Dead“ inspirieren lassen. Der Zombiekopf am Schraubstock reißt den Mund auf und fletscht die spitzigen Zähne. Dazu kommen tiefe Falten, herausstehende Wangenknochen und eine abgefallene Nase. Mit einem dünnen, gebogenen Eisen kratzt Markus Löcher in Kinn, Stirn und Wangen. In weniger als zwei Stunden hat er dem Zombie sein Antlitz verliehen.

Der Untote muss jedoch noch auf seine Kollegen warten. „Ich schnitze zuerst die ganze Gruppe, dann wird ausgehöhlt, die Hörner montiert und zum Schluss angemalt“, erklärt Markus. Dabei macht er vom ersten bis zum letzten Schritt alles selbst. Wie viele Masken er in seiner Schaffenszeit schon geschnitzt hat, kann er nicht sagen. Gerade zu Beginn seien einige im Ofen gelandet. Auch der Preis lässt sich nicht pauschal festlegen. Das käme auf den Aufwand und vor allem die verbauten Hörner an. „Manche Hörner, beispielsweise vom Marco-Polo-Schaf, kosten allein bis an die 3.000 Euro.“

Markus Sohn Marius ist mit den Masken aufgewachsen. Mit vier Jahren schlüpfte er zum ersten Mal ins Krampusgewand. Der Zwölfjährige ist fester Bestandteil der „Pfaffenhofer Tuifl“

Das Gefühl ein Krampus zu sein

Markus persönlicher „Spinnerei als Bub“ ist mittlerweile ein allgemeiner Boom in ganz Österreich gefolgt. Seit zirka 15 Jahren sind Krampus- und Perchtenläufe unheimlich angesagt. Teilweise gibt es sogar richtige Krampus-Shows. Durch Internet und soziale Medien sei die Tradition bis nach China, Mexiko und Amerika geschwappt. „Ob das dann noch so viel mit der Tradition zu tun hat oder eher dem Spaß dient, Leute zu erschrecken, sei dahingestellt“, sinniert Markus.

Auf die Frage, wie es ist, als Krampus mitzulaufen, muss der Innsbrucker schmunzeln. Die Anfangsjahre beschreibt er als spannend, aufregend und etwas ganz Besonderes. „Gerade als Jugendlicher hat man ein gutes Gefühl, da bei den Läufen ja auch viele Mädels zuschauen“, erklärt er. Mittlerweile habe die Aufregung nachgelassen und es gäbe auch ein paar Punkte, die er kritisch betrachtet. In seinen Augen ginge es oftmals mehr ums Geschäft und die Party danach als um die eigentliche Tradition. „Aber so wandelt sich das halt“, sagt er. Wie das „echte“ Brauchtum funktioniert, will er aber weitertragen und den Jungen zeigen. So läuft Markus seit einigen Jahren gemeinsam mit seinem zwölfjährigen Sohn als Krampus durch die Gassen. Für ihn wohl genauso aufregend wie damals für den Papa.

Vorheriger Beitrag
Aus einem Guss
Nächster Beitrag
Arbeit im Urgestein

Das könnte dich auch interessieren