Bei den Waldarbeitern zwischen Dachstein und Planai
„Buchen haben an Deifel g’sehn“, sagt Thomas Moosbrugger, „und der Teufel schläft nie“, schließt eine alte steirische Volksweisheit seiner Heimat nahtlos an. Moosbrugger ist gelernter Forstarbeiter, Profi im Steilhang – und er weiß, wovon er spricht.
Trotz aller Umsicht und Vorsicht bescherte ihm sein 36-jähriges Leben schon mehr als einmal hautnahe Erfahrung mit den spleißenden Hartholzstämmen im Steilhang. Zweimal endete die Sache für den Österreicher auf dem OP-Tisch. „Ist schon eine Weile her“, lächelt er hinter seinem krausen Vollbart und erzählt mit tiefem Steirer Akzent. „Einmal das Knie und einmal die Hüfte. Alles nochmal gut gegangen.“ Die Waldarbeit ist nicht nur Moosbruggers Job, das ist seine Profession – nicht erst, seit der gelernte Waldarbeiter vor drei Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte und eine Menge Schotter in Maschinen und Einschlag-Equipment investierte. Im Auftrag von Waldbesitzern durchforstet er seither die Bergwälder rundum die Planai, den Hausberg mit der berühmt, berüchtigten Skirennpiste von Schladming.
Die 3000er Spitze des Dachstein-Gebirges grüßt von Norden herüber. Im Süden die Niederen Tauern. Es ist sechs Uhr morgens. Den Turm für die Seilwinde haben Moosbrugger und sein treuer Mitarbeiter Bernhard, den alle Bernie nennen, bereits am Vortag den engen Waldweg hochgezogen. Kehre für Kehre, mehrere hundert Höhenmeter über den letzten befestigten Asphalt.
Mindestens vier Stahlseile müssen die Winde sichern, bevor sie die Tonnen schweren Baumriesen am Stahlseil die Schneise herauf hievt, um sie oben an den Bagger und dessen Harvester-Aufsatz zu übergeben. Diese zentnerschweren Sicherungstrosse der Seilwinde verlangen Handarbeit. „Da hilft dir keine Maschine“, sagt Bernie. Ein Knochenjob. Meter für Meter ziehen sie zu dritt ein Sicherungsseil nach dem anderen die Böschung hoch. Teils auf allen Vieren. „Däs isch no ganz normales Gelände“, sagt Bernie hernach. Im alpinen Hochwald hat er schon an ganz anderen Hängen gearbeitet als dem hier, mit seinen geschätzten 60 Prozent Steigung. Kurz nach 10 spannen sich vier Trosse von vier mächtigen Bäumen zum Turm der Winde. „Gesichert!“, ruft Bernie als er den Hang und mit ihm der halbe Berg auf den Absätzen herabpoltert. Jetzt noch das Transportseil nach unten ziehen, verankern und dann ist Zeit für eine Jausen. „Die ham ma unsch verdient“, schäkert der Ennstaler mit dem verschmitzten Augenpaar, das unter dem verschwitzten Cap hervorlugt. Im Wald schmeckt die Brotzeit doppelt gut. Feingeräucherte Hauswurst und ein Kanten herzhaftes Bauernbrot. Hier oben darf’s deftig sein. Der Job ist kein Zuckerschlecken.
Über die dicken Stämme wird nur selten geklettert. Aber die teils armdicken Äste, die nach den Fällarbeiten den Waldboden bedecken, haben den „Deifel“ beim Gehen zwischen dem gefällten Holz mindestens ebenso gesehen wie die Buchen, wenn die Motorsäge sich in ihren Stamm frisst. Nass, schmierig und extrem rutschig ist es hier. Die Spikes an den Schuhen der Waldarbeiter bohren sich in Holz und Rinde. Ohne Grip kein Halt. Das ist nicht nur mit der Kettensäge in Händen ein Problem.
Die Motorsägen heulen nochmals auf. Ein paar Buchen haben sie gestern stehen lassen, „weil’s schon sehr spät war.“ Wie es der Teufel will, spleißt ein Stamm als Thomas mit der Säge mittendrin steckt. Es knallt wie ein Brett, das mit voller Kraft auf blanken Holzboden schlägt. Drei Meter hoch reicht der Riss im Stamm, breit genug, um den Arm durchzustrecken, und groß genug, um Thomas schneller ein paar Meter davon entfernt sein zu lassen, als Sprintlegende Usain Bolt das vermeintlich geschafft hätte. Jetzt ist Erfahrung gefragt – und Respekt – und Vorsicht. Thomas und Bernie wissen, was zu tun ist. Zehn Minuten später peitscht die „Teufelsbuche“ mit dumpfem Schlag den Steilhang hinab. Alles gut gegangen. „Mit den Buchen, da musst du einfach verflixt aufpassen“, klingt Moosbrugger erleichtert und fügt an, „zehnmal lieber“ schneide er Fichten und Tannen um. Doch was in den Bergwäldern rund um Schladming wächst und gewachsen ist, darauf hat er keinen Einfluss. Wohl aber darauf, was den gefährlichen Einsatz sicherer macht. Respekt vor der Natur, Erfahrung im Job und gute Ausrüstung bei der Arbeit. „Die besten Schuhe sind dafür gerade gut genug.“