Handwerk
Autor: Hanno Meier
Fotos: Hanno Meier

Die Schrauber von der Pfalz

Oldtimer-Leidenschaft: An der Weinstraße fließt auch Benzin im Blut

Die Pfälzer Weinstraße gilt als Eldorado für Kenner. Hier gibt’s süffigen Wein, herzhaftes Essen und eine Menge Leidenschaft für altes Blech. Das ganze Jahr über wird getüftelt und geschraubt. Und (mindestens) einmal im Jahr, Anfang September, bringt Karsten Heidlauf die Besitzer von edlen Oldtimern und historischen Motorfahrzeugen zusammen auf die Straße. Letztes Jahr waren es 3.000, die am 2. September-Wochenende dem Aufruf von „Heidlauf Classics“ folgten: Ein Oldtimerwandern der anderen Art, entlang der südlichen Weinstraße rundum Landau in der Pfalz und darüber hinaus.

Wer die zündende Idee für die Gründung der Zweitaktfreunde Ingenheim hatte, das sei „eine längere Geschichte“.. „S‘ Weinfest“, scherzt Einer in die Runde. Und „2017 war’s“, da sind sie sich auch noch alle sicher. Die Begeisterung für alte Mopeds und das Schrauben in der Gruppe brachte damals schnell ein Team von etwa 15 Jungs und Mädchen zusammen. Jeder hatte „irgend so ein Ding, Baujahr zwischen 1950 und den 1980er Jahren, und schraubte für sich hin“, erzählt Moritz Dörr. Beim Fahrzeugkorso von Freunden im benachbarten Heuchelheim aber wollte man Flagge zeigen und gemeinsam auftreten, so sprang der Funke über.

Brühlstraße 11 in Mörzheim, das hölzerne Hoftor steht weit offen. Der Weg führt durch einen kleinen Innenhof in den Stadl und von dort direkt in die Werkstatt: Geschätzte 25 Quadratmeter mit werkzeugdekorierten Spanplatten-Wänden, die eine rote Motorradhebebühne einrahmen. Obligatorisch: Bar, Bierzeltgarnitur und Kühlschrank im Eck. Es riecht nach einem Mezzo Mix aus Öl und Benzin. Aus dem Schrank steht postwendend ein gut gekühltes Bier auf dem Tresen, von dem der Blick versucht die bildschönen Raritäten aus einer Zeit zu taxieren, als schwere Zweizylinder-Boxerfahrer sie noch spöttisch als „Hühnersprenger“ abkanzelten.

Die 2-Takt-Freunde

Eine bildschöne 50er Miele lehnt an der Wand, davor eine alte Schwalbe und eine seltene MotoBecane. Auf der Bühne, in Augenhöhe, wird an einer DKW aus der Nachkriegszeit geschraubt, das Motorgehäuse offen, der Luftfilter vom Vergaser montiert, der Scheinwerfereinsatz hängt am Kabel. „Die gehört dem Verein“, sagt Gründungsmitglied Moritz Dörr.

Katja ist die Zündapp-Frau im Team. Sie erzählt von 20 Zweitakt-Oldtimern der legendären Marke, die sie und ihre ganze Familie ihr Eigen nennen und damit nicht weit von hier ein eigenes kleines Museum eingerichtet haben. Es begann, als Sohn Pascal einen fahrbaren Untersatz brauchte. Katja war als Teenager schon Zündapps gefahren, erinnerte sich an „ein altes Teil beim Onkel in der Scheune“, wechselte Zündkerze und Öl und schon lief das Ding. Und der Funke war wieder übergesprungen. Sogar eine seltene Z 200, Baujahr 1929, zählt zum Stolz ihrer Sammlung.

Wenn die Zweitaktfreunde Ingenheim heute mit Freunden ausfahren, dann knattern schon mal 50 Mopeds durch die Pfalz. Die alte Mechanik verbindet, denn irgendein Problem gibt es immer zu beheben und Benzin haben sie alle im Blut.

Der Oldie-Netzwerker

Das freut Karsten Heidlauf, der in seinem Riley Oldtimer, Baujahr 1953, vorfährt. Schwarze Kotflügel, grünes Blech, samt Vinyldach auf einem Holzrahmen-Chassis aufgebaut – ein echter Klassiker von der Insel. 1,5 Liter Hubraum, 54 PS. Alles original und natürlich rechts gelenkt. Vor einigen Jahren initiierte der gebürtige Baden-Württemberger die Oldtimer Wanderfahrt an der südlichen Weinstraße. Es gibt weder Beginn noch Ende der Strecke, nur das Gebiet ringsum die südliche Pfälzer Weinstraße und dazu Routenempfehlungen als unverbindliche Tipps. Sie führen über öffentliche Straßen, ohne Sonderrechte, ohne Teilnahmegebühr und ohne Anmeldung. Die einzelnen Stopps stehen in eigener Verantwortung ihrer Ausrichter oder Betreiber. Das sind mittlerweile unzählige Gasthäuser mit schattigen Biergärten, kleine, sehenswerte Museen, Winzer, die ihre Weinkeller öffnen und viele andere, die das Thema aufgreifen und an diesem Wochenende zu spontanen Oldtimertreffs und Kulturbotschaftern ihrer Region werden.

Die Edelschmiede

Beim Oldtimerwandern entlang der südlichen Weinstraße gibt’s viel mehr zu sehen als nur die schönen Mopeds der Zweiradfreunde. Zum Beispiel die edlen, alten Sportwägen aus der G&S Roadster-Schmiede: Man schrieb das Jahr 1994: „Drei junge Kfz-Meister werfen Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang mit klassischen englischen Sportwagen zusammen und gründen eine eigene Firma…“. So steht es in den Annalen der G&S Roadster GmbH. Die Firma in Landau in der Pfalz gilt unter Kennern der Szene als Edelschmiede für seltene Oldtimer. Hier restaurieren gelernte Spezialisten an Aston Martin DB, Austin Healey MK 3000 und Rolls Royce Phantom. In der Porsche-Garage steht das orange-rote 911er-Original der schwedischen Rallye-Legende Björn Waldegård aus den 1970ern. In der Verkaufshalle legt der Chef des Hauses, Udo Gemming, das Preisschild eines Jaguar E-Type der allerersten Serie beiseite – fürs Foto. Die Zahl, die draufsteht, würde auch ein schmuckes Reihenhäuschen finanzieren. Etwa 200 Stück von diesem E-Type Serie 1 Flatfloor gibt es weltweit“, verrät Gemming. Sein Team von ausgewiesenen Spezialisten arbeitet an alten „Daily-Drivern“ mit zuverlässiger Technik ebenso routiniert wie an leistungsgesteigerten historischen Rennfahrzeugen. Nebenbei verwandeln sie für Enthusiasten neuere Porsche in die alte 911er Optik des Urmodells aus Zuffenhausen zurück. „Sieht klassisch aus, aber eben mit der moderneren, leistungsstarken Technik unter der Haube“, beginnt Gemming von 30 Firmenjahren zu erzählen, in denen sie nicht nur über 100 Vollrestaurationen durchführten, in denen auch ansonsten eine Menge passiert ist. Einer von den drei Gründungsmitgliedern verunglückte tödlich. Gemmings älterer Bruder setzte sich vor ein paar Jahren zur Ruhe. So führt Udo heute die Geschäfte alleine: Von der Beschaffung, über Wartung, Restauration, Modifikation, Motorsport, Bewertung und Vermittlung. Eine ganze Reihe der edelsten Klassiker auf der Heidlauf-Classics-Veranstaltung kommen aus seiner Werkstatt.

Die „Blitz“-Liebe

Ortswechsel: Ein Blitz (oder genauer gesagt sogar zwei) traf die Liebe von Anke und Bodo Pfeiffer. Sie hören auf die Namen Gustaf und Pauline und sind zwei Feuerwehr-Oldtimer der Marke Opel. „Die schönen, ganz alten Rundhauber natürlich“. Alleine Bodos „Gustaf“ aus dem Baujahr 1939 wäre eine lange Geschichte wert. 1937 bei Opel bestellt und als Fahrgestell mit Motor an eine heute noch existierende Schreinerei namens Peter Bachem geliefert, die den Aufbau des LF 8 aus Holz fertigte und mit verzinktem Blech versah. Auf welchen (Um-)Wegen er bei den Pfeiffers landete, das wäre eine dritte Geschichte. Auf jeden Fall hat das Pfälzer Ehepaar ihn wunderbar restauriert, Bodo, der Postzusteller, und seine Frau Anke, die gelernte KFZ-Mechanikerin, die freiberuflich LKW-Lenker ausbildet. Natürlich hat Anke ihren eigenen Blitz! Eine Kraftzug-Spritze 8, Zugfahrzeug und Spritzenanhänger, Baujahr 1947. In Feuerwehrkreisen damals auch als „Katze“ bekannt. Anke nennt ihre Katze liebevoll „Pauline“, schaut auf die Oldies und sagt ganz beiläufig: „Unsere Kinder aus Blech.“ Alle ihre Oldtimer haben Namen. „Pauline“ löschte bei einer Werksfeuerwehr in Ludwigshafen und gammelte anschließend Jahrzehnte in einer Halle vor sich hin, bis die Pfeifers sie mit viel Geduld aus dem Dornröschenschlaf polierten. Selbstverständlich sind die beiden auch beim nächsten Oldtimerwandern entlang der südlichen Weinstraße im September wieder dabei mit ihren Feuerwehroldtimern. Oder mit der BMW Isetta oder dem Porsche P18 Traktor, oder dem Lanz Bulldog, die sie alle auch noch in ihrer Garage pflegen. Freund Klaus, der ‚ganz zufällig‘ dazustößt und bei einer Flasche „Pfälzer Schmiermittel“, einem süffigen Weißburgunder, von seinem Hannomag, Baujahr 1937, erzählt, lässt sich das Oldtimer-Spektakel natürlich auch nicht entgehen.

„Es geht mir darum, Oldtimerfreunden und Bewohnern der Südlichen Weinstraße automobiles Kulturgut näher zu bringen und dabei die Region erleben zu lassen“, sagt Heidlauf. Jeder Teilnehmer fährt nach eigenem Gutdünken durch die schöne Landschaft und macht halt, wo es ihm oder ihr gefällt, um das eigene fahrende Museum bewundern zu lassen und selbst solche zu bewundern. Zig Stationen kommen so zusammen und das wiederum kommt weit über die Pfälzer Grenzen ziemlich gut an. Im letzten Jahr zählte Heidlauf über 3.000 teilnehmende Fahrzeuge.

2024 ist die Veranstaltung am 7. – 8. September ausgerufen. Beginn ab 10.00 Uhr, Ende offen und nicht nur mobiles Kulturgut-Erlebnis ist garantiert, sondern auch eine sehens- und schmeckenswerte Region mit all ihren Highlights und Geheimtipps.

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