Puppe im Wald
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Autor: Hanno Meier
Fotos: Nic

Lost Places

Ein Puppenwald und eine stillgelegte Industriehalle: Nic sucht nach Motiven, mit denen keiner rechnet. Er selbst am wenigsten. Mit seinen Bildern entführt der Rettungssanitäter und Hobbyfotograf in vergessen Welten.

Der Puppenwald

Dämmerung. Ein dunkler Wald. Moor und weiche Erde. Ich versinke mit meinen Stiefeln im nassen Boden. Stellenweise sehe ich die Hand vor Augen nicht. Die Bäume, so kahl und dürr. Der graue Himmel wird dunkler und dunkler, die Nacht steht bevor.

Eine Krähe sitzt auf einem Ast. Fliegt los, als ich mich nähere. Ich erschrecke kurz. Ich laufe weiter, tiefer in den Wald hinein.

Es sind unzählige. Sie hängen in den Bäumen. Sie liegen am Boden.Überall verteilt. Die Puppen starren mich an. Der Blick, so kalt und durchdringend. Eine Schauer läuft mir kalt den Rücken runter.

Doch ich nehme meine Kamera und beginne, die Fotos zu machen. Es wird immer dunkler, ich schalte die Taschenlampe ein. Im Lichtkegel sieht es noch mystischer aus. Ein ganz besonderer Ort.

Puppe mit blonden langen Haaren im Wald

Wie findet man „neue“ vergessene Orte?

„Augen offenhalten! Wenn ich unterwegs bin, schaue ich aufmerksam nach links und rechts. Auch suche ich sehr gerne über Luftaufnahmen. Heutzutage findet man viele Adressen von verlassenen Orten auch im Internet. Das finde ich aber nicht gut, denn es schadet nachweislich den Orten, wenn dort zu viele Leute ein und ausgehen. Leider wird der Vandalismus dadurch immer schlimmer. Und noch ein wichtiger Tipp: Achtet auf eure Sicherheit! Tragt vernünftiges Schuhwerk, habt zumindest Handy und Taschenlampe dabei und gebt anderen Bescheid, wo ihr seid.“

Auf seinem Blog „Die verlassenen Orte“ berichtet Nic regelmäßig von seinen Erkundungstouren. 

Unvergängliche Zeitdokumente

Manche der verlassenen Orte, nach denen Nic mit seiner Kamera sucht, dümpeln Jahrzehnte vor sich hin. Keiner aus der überschaubaren Szene der Verlassene-Orte-Fotografen gibt deren Location preis. Für manche Orte aber öffnet sich oft nur ein knappes Zeitfenster zwischen Verlassen sein und Abriss. Dann muss es schnell gehen – und dann kann man auch offen darüber sprechen: So wie über das ehemalige Drahtwalzwerk in Duisburg-Hochfeld, das Nic mit seiner Canon verewigte.

Die Geschichte des Werkes beginnt 1851. Der Standort Hochfeld lag verkehrsgünstig am nahen Hafen, wo Frachtschiffe Eisenerz und Koks entladen konnten. Eine abwechslungsreiche Historie von Blüte, Bombenzerstörung, Wiederaufbau und wirtschaftlichem Niedergang. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand die Hütte neu als Drahtwalzwerk. 1955 wurde sie von der Thyssen-Hütte übernommen, die bereits 1968 und 1970 zwei der fünf Hochöfen wieder abriss und zwei weitere 1982 stilllegte. Nur der erst 1973 erbaute „Hochofen 5“ blieb bis 1985 in Betrieb, fiel dann nach gerade mal zwölf Jahren Betriebszeit den Überkapazitäten auf dem europäischen Stahlmarkt zum Opfer. In ihren 84 Jahren Betriebszeit produzierten die fünf Hochöfen 37 Millionen Tonnen Spezialroheisen, das vorwiegend für die Weiterverarbeitung in den Stahlwerken von Thyssen landete.

Drahtwalzwerk Duisburg-Hochfeld von innen

Bis in die 1970er Jahre galt Duisburg-Hochfeld als gründerzeitlicher Arbeiterstadtteil mit enger Verzahnung von Arbeit und Wohnen. Der desaströse Niedergang der Schwerindustrie in den 1970er und 1980er Jahren führte zum Verlust von rund 20.000 Arbeitsplätzen. Duisburg reagierte. „Mit der schrittweisen Verlagerung der Schwerindustrie vom Rheinufer weg, haben die Stadt und die Wirtschaft die Chance ergriffen, ein seit mehr als 150 Jahren genutztes Industriegelände zu einem hochwertigen Standort für zukunftsorientierte Nutzungen zu entwickeln“, schreibt dessen Baureferat dazu.

Das stadtplanerische Entwicklungsziel lautet „Duisburg an den Rhein“. Mit dem Projekt „RheinPark“ soll ein neues Erleben der Stadt zum Rhein hin geschaffen werden. Auf dem 27 Hektar umfassenden Areal entsteht das neue Stadtquartier „RheinOrt“. Ein Raum zum Arbeiten und Leben für rund 4.500 Menschen, der beachtliches Potenzial auch für die Ansiedlung von Unternehmen bieten soll, aber auch noch heute andere alte Industrieanlagen beherbergt. Nur das Drahtwalzwerk, das ist Geschichte und Nics Bilder bleiben als unvergängliches Zeitdokument.

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