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Autor: Inge Fuchs, Karen Hanne
Fotos: Robert Marc Lehmann

Weg vom Wegwerfprodukt

Wüsten von weggeworfener Bekleidung und Meere voller Plastik und Müll – die Auswirkungen unserer Wegwerfgesellschaft beobachtet Umweltschützer Robert Marc Lehmann auf seinen Expeditionen seit Jahren. Im Interview spricht er über Probleme und Ursachen von Wegwerfprodukten und was jeder Einzelne dagegen tun kann.

Robert, in nur einem Satz: Wie erklärst du jemanden, der dich noch nicht kennt, deinen Job?

Das ist unmöglich! Auf Englisch würde ich sagen „Environmental Content Creator“, da ich meine persönlichen Erlebnisse aufnehme, dokumentiere und am Ende etwas daraus kreiere. Und das hat immer was mit unserer Umwelt zu tun. Würde ich nur sagen, „Ich bin Meeresbiologe“, können sich die wenigsten etwas drunter vorstellen. Einen Menschen wie mich mit einem Satz zu beschreiben – ganz schwierig. Jeder Tag ist anders, da müsste ich jetzt 365 Sätze sagen.

Wie viele Länder hast du für deine Mission bereits bereist?

Das weiß ich ganz genau: 129 Länder.

Hast du bei deinen Expeditionen auch negative Erfahrungen mit Müll und Plastik gemacht?

Ohne Ende und immer mehr. Vor 20 Jahren war es noch nicht so schlimm wie heute. Egal wo ich hingehe – Antarktis, Dschungel oder Wüste – es wird immer schlimmer und immer mehr.

Würdest du sagen, wir leben in einer Wegwerfgesellschaft?

Zu 100 Prozent. Ich mein’, ich selbst benutze jeden Tag Plastik, das nur hergestellt wurde, um es ein einziges Mal zu benutzen. Deutschland ist mitunter einer der weltweit größten Plastikmüllverursacher. Und auch in der Bekleidungsindustrie: Man denkt immer, da tut sich was, aber es passiert immer noch viel zu wenig. Der Fokus liegt leider nach wie vor auf dem Preis und nicht auf der Nachhaltigkeit. Nachhaltige Klamotten sind für viele auch schlichtweg nicht bezahlbar. Die kosten eben mehr, weil sie dem Planeten, Tieren, aber auch Menschen nicht weh tun.

Was ist deiner Meinung nach die Ursache für diese Wegwerfmentalität?

Eine Ursache ist erlerntes Verhalten. Weil es jahrelang so ging, dass man Sachen einfach wegwirft. In unserer Wohlstandsgesellschaft kannst du dir 20 T-Shirts kaufen und siehst die Konsequenzen nicht: Die Kinderarbeit, die vergifteten Flüsse, die Reise, die das T-Shirt vorher gemacht hat und die Müllberge danach. Die Lebensdauer von so einem Shirt – von der Herstellung bis zum Ende – beträgt nur ein paar Monate. Das wird von den großen industriellen Herstellern einfach nicht erzählt. Transparenz: Null.

Wie kann ich persönlich den Konsum von Wegwerfprodukten reduzieren?

Weniger Konsumieren und mehr Reparieren. Das haben leider viele verlernt. Früher wurden die Sachen zum Schneider oder Schuster gebracht, das macht heute kaum noch jemand. Stattdessen wird einfach weggeworfen und neu gekauft. Der Weg muss weggehen von dieser Fast-Fashion-Geschichte. Kauf dir was Richtiges, wenn du die Möglichkeit hast. Lieber teurer als zweimal oder dreimal gekauft. Man muss sich der Konsequenz bewusst sein, dass Fast-Fashion zu Müllwüsten führt, die Umwelt verschmutzt, Tiere tötet. Wenn konsumieren, dann das Richtige!

Wie kann ich sicher gehen, dass wo nachhaltig draufsteht auch nachhaltig drinsteckt?

Man muss sich mit den Zertifikaten beschäftigen. Was bedeuten sie? Welche sind wirklich aussagekräftig? Nur, weil etwas aus recyceltem Material ist, heißt das nicht automatisch, dass ich es auch wieder recyceln kann. Apps für nachhaltiges Einkaufen können ebenfalls helfen. Und gerade bei Bekleidung geht es nicht nur um die Umwelt, sondern auch um menschliche Schicksale.

Hast du schon mal erlebt, dass sich etwas verbessert hat, weil du auf ein Problem aufmerksam gemacht hast?

Es wäre schrecklich, wenn alles immer nur bergab gehen würde. Wenn ich Geisternetze aus dem Meer raushole, dann ist die Situation dort besser. Oder wenn ich ein Clean-Up mache, dann ist der Müll dort weg. Meine „Mission Erde”-Community wächst und daraus entstehen neue Bewegungen, dass Gruppen zum Beispiel Kippenstummel einsammeln. Auf Social Media sehe ich unter Beiträgen, in denen es um Missbrauch von Tieren oder ähnliches geht: Da kommentiere nicht nur ich drunter, sondern mittlerweile eine tolle #MissionErde Community aus hunderttausenden Menschen.

Robert Marc Lehmann kniet mit Kamera in der Hand an einem Flussufer

Robert Marc Lehmann ist studierter Meeresbiologe, Forschungstaucher und ein vielfach ausgezeichneter Fotograf und Kameramann. Der Wissenschaftler und Abenteurer unterstützt weltweit Tier- und Umweltschutzprojekte. Die Fotos und Filmaufnahmen seiner Abenteuer zeigen neben der Schönheit der Natur auch die Auswirkungen des menschlichen Handelns und den Effekt auf die Tiere und deren Lebensraum. In seinem Buch „Mission Erde – die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen” berichtet er von seinen teils lebensgefährlichen Missionen – immer im Namen der Umwelt. Mehr Infos gibt es hier: www.robertmarclehmann.de & www.missionerde.de .

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