Schuhmachermeister Willi Kümpel hält HAIX-Schuhe in die Kamera.
Handwerk
Autor: Hanno Meier
Fotos: Hanno Meier

Zwei Schuhmachermeister, eine Freundschaft

Willi Kümpel zählt zu den Urgesteinen bei HAIX. Den Schuhmachermeister verbindet nicht nur die jahrelange Arbeit mit dem Unternehmen. Bereits vor seiner Zeit in Mainburg hat ihn eine tiefe Freundschaft mit dem verstorbenen Ewald Haimerl verbunden. Dabei hatten sich ihre Wege zwischendurch getrennt – die Zeit führte die beiden Schuhmacher wieder zusammen.

„Geht nicht, gab’s nie“

„Als wir damals beide angefangen haben, war Willis Betrieb fast größer als meiner“, hatte mir Ewald Haimerl einmal die gemeinsame Geschichte von ihm und Willi in seiner komplizenhaften Art erzählt. Willi Kümpel, seit vielen Jahren Leiter der Reparaturabteilung in Mainburg und der HAIX-Grandseigneur waren sich 1984 auf der Meisterschule für Schuhmacher in München rein zufällig über den Weg gelaufen.

Der Oberpfälzer Kümpel, damals ein passionierter Raucher vor dem Herrn und der Niederbayer Haimerl, damals mit geschwollener Nase von einem nicht näher beschriebenen Unfall, teilten sich für sechs Monate ein gemeinsames Zimmer. Der eine eher der Tüftler, der andere ein strategischer Entwickler. Beide zusammen mit genetischer Schuhmacher-Sequenzierung bestens besohlt für den Meistertitel in ihrem Handwerk. Für die beiden jungen Männer wurde diese Zeit zum Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Willi Kümpel (links) und Ewald Haimerl (rechts) verbindet eine lange Freundschaft.
Willi Kümpel (links) und Ewald Haimerl (rechts) verbindet eine lange Freundschaft.

Willi und Ewald, das war ein Team. Zwei aus dem gleichen Leder und genetischen Wurzeln in der gleichen Zunft. Seit Großvaters Zeiten wurde bei den Haimerls mit Schuhen gearbeitet. 1948 hatte Vater Xaver Haimerl die Initiale seines Vornamens hinter die ersten drei Buchstaben des Nachnamens gesetzt und in Mainburg seiner soeben gegründeten Schuhproduktion den Namen HAIX gegeben.

Früher Erfolg als Schuhmacher

Willi Kümpels Großvater fertigte in den 1930er Jahren gemeinsam mit seiner Frau Schuhe von Hand. 1962 setzte Willis Vater die selbständige Schuhmachertradition im oberpfälzischen Tirschenreuth fort. Willi trat Mitte der 1970er als Orthopädie-Schuhmacher in die Fußstapfen seiner Familie. Er war 21, als er Chef einer Schuhreparaturwerkstatt mit drei Angestellten wurde. Als ihm sein Zimmerkollege auf der Meisterschule prophezeite: „Willi, eines Tages wirst du für mich arbeiten“, hätte er ihn dafür beinahe ausgelacht.

Wilhelm Kümpel startete sein eigenes Ding, baute als frisch besohlter Schuhmachermeister in der Heimat eine Reparaturwerkstatt auf. Er arbeitete als selbständiger orthopädischer Schuhmacher und beschäftigte mehrere Angestellte. „Wir haben alles gemacht: Schuhe, Taschen, Traktorplanen – und repariert was machbar war“, erzählt er. Wir sitzen an seinem heutigen Arbeitsplatz in der HAIX-Zentrale in Mainburg. Fast Tür an Tür mit der Produktion schließt sich die Service- und Reparaturabteilung an. Kümpel greift zu einem restaurierten Einsatzstiefel und zeigt zum Vergleich das völlig ramponierte, unrestaurierte Pendant. „Geht nicht, gibt’s nicht!“, sagt er: Ein Motto, das für den Schuhmachermeister schon immer galt.

Zwei Freunde gehen getrennte Wege

Ewald Haimerl war nach bestandener Meisterprüfung in die Schusterei seines Vaters nach Mainburg zurückgekehrt. 1992 übernahm er den Betrieb mit den damals 15 Angestellten, stellte im Auftrag Langlaufstiefel, Wanderschuhe und Sandalen her. Die Marke HAIX gab es (noch) nicht, als er seinen ersten, legendären Leder-Feuerwehrstiefel entwickelte. „Mit diesem Schuh kam er damals zu mir nach Hause und stellte ihn voller Stolz vor“, erinnert sich Willi. „Er suchte jemanden mit sehr viel Erfahrung für seine Idee von einem HAIX-Reparaturservice und wollte, dass ich ihn übernehme.“  Von Tirschenreuth nach Mainburg? „Fast 200 Kilometer einfache Fahrt? Wie sollte sich das mit einem kleinen Betrieb wie HAIX je rechnen können?“, schüttelt Willi noch heute ungläubig den Kopf.

Seit Jahren leitet Willi Kümpel den Reparaturservice bei HAIX.
Seit Jahren leitet Willi Kümpel den Reparaturservice bei HAIX.

Doch HAIX wuchs und wuchs. Zwölf Monate später sagte der Oberpfälzer zu, nahm Reparaturaufträge von HAIX an. Als Großaufträge an Produktionsproblemen zu scheitern drohten, fand Kümpel den Fehler. Der stille Oberpfälzer half seinem aufstrebenden Schuhmacher-Freund über so manche Anlaufschwierigkeit hinweg. „Man muss mich einfach machen lassen, dann wird’s auch was“, sagt er und ist dabei immer ruhig und kreativ.

Jener Feuerwehrstiefel namens Fire Fighter führte HAIX aus der Krise. Bald fuhr Kümpel zwei Mal die Woche mit dem Kleinbus von Tirschenreuth nach Mainburg. 2006 heuerte er schließlich fest an und baute den HAIX-Service mit auf. „Anfangs arbeitete auch auch der Seniorchef noch mit“, erinnert er sich und auch an Ewald Haimerls Vorhersage auf der Meisterschule.

Zwei Schuhmachermeister, eine Freundschaft

Die Freundschaft hielt über all die Jahre, gespickt mit reichlich Anekdoten, aber auch anderen Geschichten: Als Kümpel schwer erkrankte und eine dringende Operation vor sich herschob, weil er unbedingt den HAIX-Service in Nordamerika und Kanada noch auf den Weg bringen wollte, stimmte Haimerl nur unter einer Bedingung zu: Kümpels Frau musste als „Notfallsanitäterin“ überall mit dabei sein. In Vancouver ließ er für seinen Freund vorsorglich ein Hotel in nächster Nähe zu einem angesehenen Klinikum buchen und wieder in Deutschland zurück, zählte Haimerl zu den Ersten am Krankenbett seines Freundes.

Willi Kümpel mit seinen Mitarbeitern in der HAIX-Reparaturwerkstatt.
Willi Kümpel mit seinen Mitarbeitern in der HAIX-Reparaturwerkstatt.

Seit Ewald Haimerls viel zu frühem Tod 2019 nimmt Willi Kümpel einmal im Jahr einen neuen Schuh aus der aktuellen Kollektion, stellt ihn auf Ewald Haimerls Grab und bepflanzt ihn mit Blumen. „Damit der Ewald die Sohle von unten begutachten kann und sieht, dass wir auch weiterhin immer auf dem richtigen Weg sind“, versucht er sich in englischem Humor aber dafür viel zu melancholischer Stimme.

Die von Kümpel mit aufgebaute Service- und Reparaturabteilung leistet längst einen wichtigen Beitrag zur HAIX-Firmenphilosophie in Sachen Nachhaltigkeit: „Hochwertige Schuhe verdienen eine qualitativ hochwertige Reparatur“, das ist nicht nur für Willi Kümpel das A und 0 der Marke. Darauf schwört der 62-jährige schon jetzt seine designierten Nachfolger Lisa Steiger und Ahmed Wahhab ein, die wie ihr Chef Feuer und Flamme sind, wann immer es etwas zu reparieren gibt.

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