Wiener Volunteer im Notfallsanitäter-Praktikum
Daniel Knogler ist engagierter Notfallsanitäter bei der Berufsrettung Wien. Für neue Erfahrungen bei Rettungsdiensten reist er um die ganze Welt. In Australien absolvierte er vier Wochen Praktikum bei verschiedenen Ambulances. Der 29–Jährige, der ansonsten Klettern, Laufen, gutes Essen und elektronische Musik liebt, berichtet über gastfreundliche Kollegen und eine Menge Neuland – auch im Job.
Praktikum in Australien: Aus dem Tagebuch eines Notfallsanitäters
Melbourne ist auf Anhieb mein persönlicher Favorit der besuchten Städte in AUS – jung, lebendig und der Kontrast von vielen modernen, hohen Wolkenkratzern zu kleinen, schönen, alten Backsteinbauten mit engen Gassen. Darin eine tolle Gastro-Szene mit total netten und aufgeschlossenen Menschen.
Andrea arbeitet seit 30 Jahren als Paramedic. Seit 25 Jahren ist sie Mobile Intensive Care Ambulance, kurz MICA Paramedic. Damals war sie die zweite Frau überhaupt bei Ambulance Victoria, die aktuell 2.500 Paramedics in Melbourne beschäftigt. 46 Prozent davon sind Frauen. Andrea gibt Tipps für meinen ersten Einsatz an einem (MICA) Single Responder im Epworth Richmond Hospital. Und sie erzählt von der Ausbildung zum australischen Paramedic. Grundlage ist ein dreijähriges Studium in Paramedic Science. Nach Abschluss des universitären Teils und noch vor der Promotion folgt der einjährige praktische Part der Ausbildung, Stunden auf der Emergency Ambulance und Clinical Internship. Erst nach weiteren zwei Jahren praktischer Erfahrung als Ambulance Paramedic besteht die Möglichkeit sich durch ein einjähriges Masterstudium zum MICA Paramedic weiterzuentwickeln.
Gemeinsam mit Andrea besuche ich die Mobile Stroke Unit (MSU) von Victoria Ambulance in einem nahegelegenen Spital. Die rollende Schlaganfallinterventions-Station kommt bei Bedarf zum Patienten. Sie ist besetzt mit einem Neurologen, einem Radiologie-Technologen, zwei Paramedics und einer Neurologie-Krankenpflegeperson. Faszinierend! Ein einzigartiges, interdisziplinäres Notfallrettungsmittel!
Eine tolle und lehrreiche Zeit bei Ambulance Victoria: Hochprofessionell und modern. Der Beste Rettungsdienst, den ich bisher kennenlernen durfte – doch es kommen ja noch zwei! Aber erst mal ist Entspannung angesagt: Drei Tage auf Phillip Island.
Nächster Einsatz: Ambulance in Brisbane
Auf der Emergency Ambulance 5105 (RTW-Rettungswagen): Nach einigen Primäreinsätzen bekommen wir einen Intensivtransport von einem nahegelegenen, kleinen Flughafen in eine städtische Schwerpunktklinik. Den Patienten bringt ein Jet des Royal Flying Doctor Service, eine staatlich subventionierte Organisation, die medizinische Versorgung im dünn besiedelten Outback Australiens und den Transport, an diesem Tag ins Major Trauma Center, sicherstellt. Manchmal erteilen die Flying Doctors auch einfach nur per Funk, Telefon beziehungsweise Video-Chat (24/7) ärztlichen Rat.
Die Rettungswägen sind in allen Bundesländern sehr ähnlich in Aufbau und Ausstattung. Die Kabine ist etwas kleiner als hierzulande, aber alles ist gut durchdacht, vom Platz des Transportführers neben der Patiententrage bis zur Ablagefläche unmittelbar davor. Ausziehbare Lade mit integriertem Toughbook, dem Laptop für die Einsatzdokumentation, drehbare Corpuls C3 – EKG-/Monitor-Einheit auf der Ablagefläche, Läden darunter beherbergen sämtliche Diagnostik-Devices und Alles, was für die intravenöse Medikamentenapplikation benötigt wird. Alles griffbereit – auch auf dem Platz des Airway-Managements unmittelbar hinter dem Kopfteil der Patiententrage.
Auch der Ausbildungsaufbau ist in allen drei Bundesländern annähernd gleich. Die Unterschiede aber fallen im Einsatz auf. Beim Bicycle Response Team (BRT) von Melbourne zum Beispiel, eine Notfall-Rettungsdiensteinheit auf Fahrrädern. Ein Kollege stieg spontan vom Rad, um mir seine Ausstattung vorzuführen: Standardnotfalltasche des QAS, ein Advanced-Airway-Kit, ein AED (Laien-Defibrillator), eine kleine O2-Flasche und ein Minor- und Major-Trauma-Kit. Bei Einsätzen in großen Einkaufszentren, Fußgängerzonen oder Parks ist keiner so schnell vor Ort wie er, erzählt er. Unzählige Steigungen in der City und tropisches Klima machen seine Arbeit dennoch zum Knochenjob! Als ich ihn darauf anspreche lacht er nur: „I get paid for working out, mate! How cool is that?!“
„HARU“ und „LARU“ zählen zu den weiteren Besonderheiten der Queensland Ambulance. „Acuity Response Unit“ steht für Medizinisches Notfallteam. „H“ und „L“ unterscheidet ihr Einsatzspektrum. Das HARU ist ein Spezialfahrzeug für Trauma-Patienten. Besetzt mit speziell ausgebildeten Paramedics und betreut von erfahrenen Notfallmedizinern werden vor Ort Maßnahmen wie Thorakozentese oder Koniotomie durchgeführt. Dank erweiterter Diagnose können Patienten direkt in den OP transportiert werden, anstatt über die Notaufnahme wertvolle Minuten zu verlieren, die zwischen Leben und Tod entscheiden.
In der Low Acuity Response Unit (LARU) verrichtet dagegen ein Paramedic mit erweiterter Ausbildung in allgemeinmedizinischer Diagnostik den Dienst. Es wird vor allem zu Patienten disponiert, bei denen eine Behandlungsoption zuhause wahrscheinlich erscheint, beziehungsweise die anderen Gesundheitsdepartments, wie Hausarzt oder Primärversorgungszentren zugeführt werden können. Das spart Kosten und entlastet den Notfallrettungsdienst für sein eigentliches Arbeitsspektrum!
Intensive Care Ambulance in Sydney
Ortswechsel: Mit dem Bus geht‘s vom Hotel nach Randwick zum Dienst auf einer Intensive Care Ambulance. Wie überall beeindruckt mich der herzliche Empfang durch die Kollegen. Ich treffe Anna und Adam – zwei Intensive Care Paramedics in ihren Mittdreißigern. Nach dem Check des Rettungswagens machen mich die beiden mit ihrem Equipment vertraut. Wir starten den Tag mit einer Runde Coffee-To-Go von ihrem Lieblings-Café. Damit geht es zum nahen Bundock Park und den Clovelly Cliffs. Solange zu Dienstbeginn kein Einsatzruf vorliegt, ist das ihre tägliche Morgenroutine. Mit einem guten Kaffee in der Hand, die langsam aufsteigende Sonne am Horizont und das Rauschen des Meeres im Ohr – unbezahlbar! Man könnte sich daran gewöhnen.
Lange hält die Ruhe bis zum ersten Einsatz nicht an. Die Beiden sind ein eingespieltes Team und arbeiten mit erstaunlicher Präzision. Dennoch kommt der menschliche und liebevolle Umgang mit den Patienten nie zu kurz.
Unterwegs erzählen mir Anna und Adam von ihrem österreichischen Kollegen aus Tirol, der vor 25 Jahren nach Australien ausgewandert ist und seit 20 Jahren für NSWA arbeitet. Wir treffen ihn tatsächlich an diesem Tag! „Joe“, der eigentlich Josef heißt, ist Intensive Care Motorcycle Paramedic. Ein unglaublich cooler Typ in Leder-Kombi mit schwerer Maschine. Er spricht einwandfreien „Aussie-Slang“ mit unverkennbarem Tiroler Akzent. Wir fachsimpeln über die Unterschiede zwischen dem österreichischen und australischen Rettungsdienst und er nimmt sich Zeit mir seine Maschine, sein Equipment und seinen typischen Arbeitsalltag zu erklären. Ein absolutes Highlight! Nachdem wir unsere Kontaktdaten ausgetauscht und vereinbart haben, uns in Österreich mal wieder zu treffen, wird er auch schon über Funk gerufen, startet sein Bike, schaltet Wailer- und Yelp-Sirene an und düst zum nächsten Einsatz.
Notfallrettung in Australien – das hat was. Die Ruhe und Strukturiertheit, mit der Patientenübergaben im Schockraum ablaufen. Hier funkt keiner dazwischen, bis der Sanitäter mit seiner Übergabe fertig ist und der Senior Emergency Physician, der etwas abseits auf einem Podest steht, sein „go“ gibt. Er hat alles im Blick und koordiniert das gesamte Team wie ein Dirigent das Orchester. Der Anästhesist wartet am Kopfteil des Patientenbettes, das Pflegepersonal steht seitlich am Bett bereit – jeder an seinem Platz und bereit für seinen Einsatz.
Der Beruf des Sanitäters ist in Down Under hoch angesehen. Das macht sich an öffentlichen Plätzen, beim Einkaufen oder Kaffee holen bemerkbar. Ich komme aus dem Staunen manchmal kaum noch heraus und ertappe mich beim Spekulieren, was alles notwendig wäre, um mein bisheriges Leben für eine Karriere hier in Australien hinter mir zu lassen. Doch der Flieger nach Wien ist schon gebucht.
Welche Erfahrungen Daniel in Südafrika sammeln durfte, erfährst du im Beitrag „Einsatz in Südafrika“.