Thomas Reim mit Rauchfackeln in den Händen
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Autor: Thomas Reim
Fotos: Thomas Reim

Tough Guy

Schlamm, Eis und dann die Killing Fields

2017 sollte das letzte Tough Guy Race aller Zeiten stattfinden. Seit dem ersten Hindernislauf im Jahr 1987 sind 30 Jahre vergangen und der Veranstalter und Gründer von Tough Guy, Billy Wilson aka „Mr. Mouse“ wird im Jubiläumsjahr 80 Jahre alt. Da kann man schon mal aufhören, wenn es am schönsten ist. Teilnehmer Thomas Reim berichtet von einem der wohl härtesten Hindernisläufe der Welt.

Zeitgleich mit der Ankündigung, dass nun alles vorbei sein wird, kam aber auch die Kampfansage von Mr. Mouse: „Jungs, beim letzten Lauf lassen wir es noch mal so richtig krachen!” Denn letztendlich geht es bei der Veranstaltung in erster Linie nicht um Platzierungen, sondern darum, die Reste seines einstmals stolzen Körpers möglichst in einem Stück über die Ziellinie zu bringen. Und es war immer ein langer und schmerzhafter Weg bis zum Ziel. Wer dort ankommt, bekommt eine Medaille und einen Becher heißen Tee.

In den 30 Jahren ist der Kurs aus bescheidenen Anfängen heraus immer länger und härter geworden. Billy Wilson, Veteran der Grenadier Guards und Entwickler für militärische Trainingsparcours war stets kreativ, wenn es darum ging, den Teilnehmern den Weg zum Ziel so schwierig wie möglich zu machen. In guten Jahren kamen manchmal nur 40 Prozent der Läufer ins Ziel. Nicht ohne Grund finden die Hindernisläufe traditionell am letzten Sonntag im Januar statt. Mit Eis auf den Wasserhindernissen ist daher stets zu rechnen und das mit Hypothermie nicht zu spaßen ist, lernt der erlebnishungrige Wohlstandsläufer hier sehr schnell.

Am Tag des Ereignisses zeigt das Thermometer 5 Grad Celsius. „Na, dann ist das ja einfach“, sagte mir so manch hipper LifestyleLäufer, der in bei einem Kaffeeröster gekaufter, atmungsaktiver Laufkleidung im Park brav seine Runden dreht und nur in regelmäßigen Abständen anhält, um seine unverzichtbaren Kompressionsstrümpfe hochzuziehen. Die Realität sieht etwas anders aus. 

Nach dem Startschuss werden 6.000 Läufer nacheinander in Blöcken auf die Hindernisstrecke gelassen. Jeder Block gleicht dabei einer Herde durchgehender Büffel auf der Flucht. Nach ungefähr 500 Metern sind die Schuhe nass. Niedlich, wie die Neulinge noch versuchen, den ersten Pfützen auszuweichen. Danach geht es auf die „Laufrunde“, die in die sogenannten Killing Fields mündet. Die harmlose Laufrunde soll das Feld auseinanderziehen, damit die Staus vor den Hindernissen nicht so groß werden. Nach einer halben Stunde ist man in den ersten wassergefüllten Schlammgräben und spätestens ab diesem Zeitpunkt ist dann auch der Maschinenraum geflutet. Gräben und kleinere Kletterhindernisse wechseln sich ab, werden zur Erholung nur von steilen Slaloms abgelöst. Am Ende des Tough Guys sind es insgesamt 1.020 Höhenmeter hoch und wieder runter. 

Thomas Reim mit anderen Teilnehmern vor dem Rennen: die Wiese ist noch grün und die Läufer noch sauber

Ist man am Ende der „Laufrunde“ noch einigermaßen gut in Form, kommt man in die „Killing Fields“. Ich hatte bisher nur zwei Stürze und bin noch zu 80 Prozent körperlich anwesend. Beim Laufen ziehe ich Vergleiche zu dem Film „Memphis Belle“, der im Jahr 1943 spielt. Dort fliegt ein amerikanischer B-17 Bomber in den Einsatz in Feindesland. Von vier Motoren wurde bereits einer von einer Flakgranate getroffen und ist ausgefallen. Macht nichts, eine B-17 kann auch mit drei Motoren fliegen, also weiter. Das erste Hindernis in den Killing Fields ist immer der „Tiger“, zwei 10 Meter hohe Holzgerüste, die es zu überwinden gilt. Dazwischen ist ein Feld mit Weidezaundrähten zu durchqueren. Dass Strom auf den Drähten ist, gehört hier zum guten Ton und ist sowas wie eine präventive Wiederbelebung.

In den nächsten zwei Meilen wechseln sich hohe Klettergerüste mit Wassereinlagen, Stacheldraht, Feuer und immer wieder Schlamm ab. Hier alle 400 Hindernisse der gesamten Strecke aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Wie angekündigt, hat Mr. Mouse eine Menge neue wassergefüllte Gräben ausgehoben, die an die Schützengräben des Ersten Weltkrieges erinnern sollen. Wie schon in so manchem Krieg eine gut geplante Offensive im Schlamm stecken geblieben ist, ist auch hier der Morast nicht zu unterschätzen. Die größte Katastrophe eines Geländeläufers ist der Verlust eines Schuhes. Den Laufschuh dann mit steifen Fingern wieder anzuziehen ist das Eine, den Schuh vorher im wadentiefen Schlamm wiederzufinden allerdings die wahre Herausforderung.

Inzwischen habe ich nach etwas mehr als drei Stunden das Ziel erreicht, habe eine Medaille um den Hals und einen Becher Tee in der Hand. Zwei Motoren sind ausgefallen und der dritte brennt, läuft aber noch. Das Fahrwerk ist nach wie vor intakt und könnte sofort wieder an den Start. Ich nicht, ich muss erst zur Überholung in die Werft.

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