May als Soldatin im Panzer
Einsatz
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Autor: Julia Simon
Fotos: May Tømmervold

Vertrauen entscheidet

Vertrauen wird im Feuerwehreinsatz großgeschrieben – und trotzdem habe es eine andere Bedeutung als im Kriegsgebiet, sagt May Tømmervold. Im Kampf mit den Flammen feuere der Gegner keine Schüsse ab. Die Rettung von Menschen und Tieren stehe an erster Stelle. Das hat die Norwegerin nach knapp 15 Jahren als Soldatin motiviert, 2014 zur Berufsfeuerwehr zu wechseln.

Laute Triebwerkgeräusche, Bordschützin May Tømmervold kniet an der Seitentür des Hubschraubers und überwacht das Gelände. Ein Notruf ertönt über Funk, am Boden Schüsse. Mehrere schwer verletzte Soldaten sind am Boden eingekesselt. Soldaten, die May persönlich kennt. Die Notwendigkeit der Rettungsaktion steht außer Frage, doch das Risiko selbst entdeckt zu werden und unter Beschuss zu geraten, ist hoch. Die Schützin vertraut den Flugkünsten ihrer Piloten. Die Piloten verlassen sich auf die Absicherung durch die Doorgunner.

May sicherte bei diesem Einsatz in Afghanistan einen Sanitätshubschrauber des Norwegian Medical Detachment. 15 Jahre diente sie als Non-Commissioned Officer bei den Norwegian Armed Forces. Das Gründungsmitglied der NATO entsandte Truppen, um die ISAF-Mission zu unterstützen. Jederzeit muss May aufmerksam ihr Umfeld beobachten. Im Ernstfall verteidigen Bordschützen ihren Hubschrauber und alle Insassen.

Soldatin May im Einsatz in Afghanistan

Überall Feuer

Wenige Jahre später in der Nähe von Tønsberg im Süden Norwegens: Ein Wohnhaus in Vollbrand, zwei Erwachsene und zwei Kinder eingeschlossen. Bei dieser Meldung schießt das Adrenalin in die Höhe, das Herz rast. Auf der Anfahrt bereitet sich Feuerwehrfrau May mental vor, sie prüft ihre Ausrüstung und legt sich einen Plan zurecht. Es ist ihr erster Wohnhausbrand. Ein Haus zu betreten ist etwas anderes als einen Übungscontainer. Überall Flammen und Rauch. Der Blick reicht gerade mal bis zum Vordermann. Diese Umgebung fordert blindes Vertrauen in den Trupppartner.

Vertrauen in die eigene Ausbildung und Fähigkeiten, in Kameradinnen und Kameraden, in den eigenen Körper und die Ausrüstung – das ist im Einsatz alles. Im Team sichern sich alle gegenseitig, sie geben alles, um Kameradinnen und Kameraden sicher nach Hause zu bringen. Das Wissen, dass sich alle aufeinander verlassen, spende ihr Trost und gebe Selbstvertrauen, sagt May.

Es ist eine eingeschworene Gemeinschaft, die für Außenstehende nur schwer zu verstehen ist. Dabei ist die 41-Jährige eine Ausnahmeerscheinung: Laut CTIF, dem internationalen Verband der Feuerwehren und Rettungsdienste, betrug der Anteil an Feuerwehrfrauen 2019 in Norwegen nur zwei Prozent, knapp 200 Frauen kommen auf rund 12.000 Einsatzkräfte. Seitdem steigt die Zahl an, heute liegt sie bei rund vier Prozent. In Deutschland liegt der Anteil bei neun Prozent, das entspricht etwa 90.000 Frauen unter einer Millionen Feuerwehrleuten.

Feuerwehrfrau May wirbt im Klassenzimmer für ihren Beruf

Prägende Momente

In Schulen und Medien wirbt May für ihren Beruf. Denn sie liebt die Arbeit im Team, das Adrenalin, die Herausforderung und die Vielfalt an Aufgaben. Unterschiedliche Persönlichkeiten, Vertrauen und Aufrichtigkeit formen in ihren Augen ein gutes Team. Jeder Mensch agiert in Gefahrensituationen anders. Umso wichtiger sei es, nach einem Einsatz über das Erlebte zu sprechen. May ist überzeugt: „Wenn Du Dich so sicher fühlst, dass Du mit Kameradinnen und Kameraden über Deine Gefühle sprechen kannst, dann weißt Du, dass Du ein gutes Team hast.“

Im Zivilleben vermisse sie diese Offenheit, gibt May zu. „Klar tut es manchmal weh, zu hören, dass eine Entscheidung oder ein Vorgehen falsch war und Du ein Trottel warst.“ Menschen hätten oft Angst, Kritik direkt anzusprechen. Zu Vertrauen gehöre es aber auch, Geschehenes hinter sich lassen zu können und aus diesen Situationen zu lernen. Eine Feedbackkultur, die im Militär etabliert sei und auch in der Feuerwehr wachse. Einen Einsatz offen zu besprechen ist genauso wichtig, wie die eigenen Gefühle im brennenden Haus auszublenden, ruhig zu bleiben und Selbstvertrauen auszustrahlen.

Das Erlebte hat May geprägt: Sie vertraut nicht auf reines Glück, sondern auf die richtige Vorbereitung. Sie weiß, was sie leisten kann und was ihre Kameraden dazu beitragen. Am Ende des Tages hat dieses Vertrauen im Hubschrauber in Afghanistan Leben gerettet. Und genauso gelang es, alle Personen heil aus der Feuersbrunst des Wohnhauses in der Nähe von Tønsberg zu retten.

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