Feuerwehrfrau May bei ihrem Lauf in voller Montur und Feuerwehrschlauch über der Schulter
Einsatz
FeuerwehrFeuerwehrsportLesen
Autor: Julia Simon
Fotos: Rick Stephens

Weltmeisterin auf Achterbahnfahrt der Gefühle

Knapp zweieinhalb Minuten durchbeißen und alles geben – in dieser Zeit läuft Feuerwehrfrau May Tømmervold  unter Atemschutz den gesamten FCC Parcours. Bei den Firefighter Combat Challenge World Championships im November 2021 räumt die Norwegerin gleich viermal ab. Dabei stand die Teilnahme noch zwei Wochen vorher auf der Kippe.

Der Herzschlag pocht. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt. Dann ertönt das Startsignal. Das Publikum der Firefighter Combat Challenge World Championships in Florida fiebert mit May Tømmervold mit. Nach 2:25.09 Minuten folgen im Ziel die totale Erschöpfung und pure Freude: Mit dieser Leistung wird die Norwegerin Weltmeisterin.

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Vorbereitung mit Hindernissen

Hinter ihr liegt nicht nur der FCC Parcours sondern auch eine Vorbereitungszeit, die alles andere als perfekt war. Fitness-Studios geschlossen und strenge Einreisebestimmungen verhindern lange Zeit die Teilnahme an Wettkämpfen in Europa. Für die ehrgeizige Feuerwehrfrau kein Grund das Training einzustellen. May legt selbst Hand an: „In der Feuerwache habe ich den Parcours so gut wie möglich nachgeahmt und konnte mir gleichzeitig die verschiedenen Stationen besser aufteilen. So konnte ich an meiner Technik feilen und neue Methoden herausarbeiten um die verschiedenen Aufgaben noch besser zu meistern. Ich habe das Gefühl, dass ich mit jeder Saison mehr kleine Kniffe entdecke.“ Im Training ist sie weitgehend auf sich selbst gestellt. Die Berufsfeuerwehrfrau studiert die Trainings ihrer Mitstreiter und holt sich Tipps und Feedback über die Sozialen Netzwerke.

Waren diese Strapazen alle umsonst? 14 Tage vor dem lang ersehnten sportlichen Highlight rät der Arzt May von einer Teilnahme ab. Beim Training war ihr der Dummy Rescue Randy mitsamt seinen 80 Kilogramm Kampfgewicht auf den Fuß gefallen. „Ich konnte nicht mehr richtig gehen und das Laufen war extrem schmerzhaft.“, beschreibt May die Folgen des Unfalls. Dazu kommt eine lange Wettkampfpause. „Ich war gespannt, wie ich überhaupt auf der Strecke abschneiden würde, sowohl körperlich als auch technisch.“ Aber der Entschluss zur Teilnahme stand fest, nicht mit um den Titel zu kämpfen war keine Option.

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Am liebsten im Team

Bei den Weltmeisterschaften in den USA ist May als Europäerin fast eine einsame Kämpferin. Kaum andere Athleten haben Visa für die Reise erhalten. Vor allem ihr FirefightHers Frauenteam fehlt der Norwegerin. Die Feuerwehrsportlerinnen sind in Europa Freundinnen geworden und unterstützen sich gegenseitig. Gemeinsam, da ist sich May sicher, hätten die europäischen Feuerwehrfrauen in der Staffel beste Chancen auf den Sieg gehabt. 

Support bekommt sie in diesem Jahr von Sean Sullivan. Der Amerikaner fragte die Norwegerin als Tandem-Partnerin an. Gemeinsam bildeten sie ein „over 40+ Co-Ed Tandem“ und setzten als erstes Duo in dieser Kategorie den Weltrekord. Und das obwohl auch Seans Vorbereitung nicht verletzungsfrei lief: Nur eine Woche vor den Worlds verletzte er sich am Wadenmuskel. Im Nachhinein kann May über das Verletzungs-Pechvogel-Tandem lachen: „Zwei halb kaputte ‚Oldies‘, die zur Strecke humpelten – das Bild war sicher urkomisch.“ 

May wirft die Arme in die Luft und lacht

Auf der Erfolgsspur

Die Reise nach Florida wird belohnt: Insgesamt sichert sich May vier Weltmeister-Titel. Neben den Trophäen im Frauen-Einzel, Frauen-Einzel über 40 und dem Mixed-Tandem, steht auch im Frauen-Tandem die Bestzeit und ein zweiter Platz in der Frauenstaffel. Auf dem Podium fühlt sie sich trotzdem nicht so richtig wohl: „Es hat mir nie gefallen, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. Aber natürlich, bin ich super stolz auf mich, weil ich eines meiner größten Ziele erreicht habe.“ Zurück in der norwegischen Heimat, ist das Interesse an ihrer Person und dem Sport riesig. „Interviews fürs Fernsehen, für Zeitungen und Radio, Vorträge auf Konferenzen – die Resonanz ist wirklich überwältigend. Das gibt mir die Möglichkeit nicht nur meinen Sport vorzustellen, sondern die Aufmerksamkeit auch auf das Thema Vielfalt in der Feuerwehr zu lenken.“ 

Trotz allem Erfolg, das Herzklopfen und die Aufregung vor jedem Start bleiben. Wie May mit ihrer Nervosität vor dem Wettkampf umgeht? „Kann ich sagen: Gar nicht?! Ich kann das ziemlich gut verstecken und nicht öffentlich ausflippen, aber innerlich fühle ich mich einfach schrecklich. Mein ganzer Körper zittert und mein Magen fährt Achterbahn.“ Eine Ausnahme war der Start vor dem Einzelfinale in Florida: „Vielleicht lag es daran, dass das Wetter an diesem Freitagmorgen umschwenkte, von sonnigen 30 Grad zu Regenschauer und Temperaturen um die 14 Grad – also eher wie an einem normalen Sommertag in Norwegen. So wie ich das gewohnt bin.“ Sobald das Startsignal erklingt, übernimmt May wieder die Kontrolle über Kopf und Körper. Lautsprecher, Kommentare des Moderators und Publikumsrufe blendet May während ihres Laufs aus. Sie hört nur noch auf ihre eigene Stimme und das Innere „GO, GO, GO, GO!“ 

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