Daniel marschiert auf die Kamera zu
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Autor: Inge Fuchs
Fotos: Daniel Huber

Pilgertour zum eigenen Ich

250 Kilometer, 350.000 Schritte und eine ganz persönliche Erkenntnis. Fotograf und Frohnatur Daniel Huber begab sich Anfang des Jahres auf Pilgertour durch Bayern. Weit weg vom eigenen Bett, Dusche und Waschmaschine. Dafür auf Spenden angewiesen und einem emotionalen Weg voller Überraschungen.

Startpunkt Heimat

Für den gebürtigen Vohburger war klar: Hier geht‘s los, entlang der Donau, mit Passau als Endziel. Schon als Kind ist Daniel diese Strecke mit dem Schlauchboot entlanggetuckert. „Es war für mich immer ein Highlight, die Verwandtschaft in Passau zu besuchen“, erzählt er. Nun also eine Reise in die Vergangenheit, komplett auf sich allein gestellt. „Nix hören, nix sehen – einfach mal abschalten und schauen was passiert, Kraft sammeln für die nächste Saison als Fotograf, und in den inneren Dialog kommen“, erklärt der 36-Jährige sein Vorhaben.

Es gab aber noch einen weiteren großen Beweggrund für Daniel. Bereits 2020 startete er einen Versuch, musste jedoch nach sieben Tage abbrechen. Falsche Kleidung, falsche Schuhe, die Füße übersät von blutigen Blasen. „Das hat mich so aufgeregt, deswegen habe ich gesagt, dieses Mal möchte ich es g‘scheit machen!“

Daniel auf einem verschneitem Steg bei seiner Probewanderung

Vorbereitung auf 250 Kilometer

Vier Wochen vor Start fing Daniel an, sich einzulaufen. 15 bis 20 Tausend Schritte täglich als Minimum. Anstelle von Turnschuhen wie im letzten Jahr, besorgt er sich ordentliche Wanderschuhe und Funktionskleidung im Zwiebellook. Der erste Härtetest: ein Probelauf von 25 Kilometern. Die Kleidung sitzt, die Schuhe geben Halt, nichts das zwickt oder reibt – bald kann es losgehen!

Vorab gönnt sich der passionierte Barfußläufer noch einen kleinen Wellness-Tag. „Ich habe bei meiner Physiotherapeutin vorbeigeschaut und mir eine eineinhalbstündige Fußreflexzonenmassage genehmigt“, erinnert sich Daniel und grinst. Außerdem lässt er sich sein aus Fußballerzeiten geschundenes Bein tapen. Eingehüllt in blaue Klebestreifen geht es am 2. Februar 2022 los.

Sonnenuntergang auf Daniels Pilgerstrecke

Hohe Hürden und magische Momente

Freunde und Bekannte lässt Daniel über Instagram an seinen Erlebnissen teilhaben. Außerdem versucht er, sich komplett auf Spendenbasis durchzuschlagen. „Noch nicht einmal gestartet hatte ich schon 80 Euro auf meinem Onlinekonto!“, erinnert er sich erstaunt. Insgesamt seien 600 Euro eingegangen; von Freunden, aber auch von neu dazugewonnenen Followern. Doch Geld ist nicht alles. Daneben braucht es ein großes Netzwerk und gastfreundliche Menschen, wie Daniel bereits in der ersten Nacht feststellen durfte. „Ich habe mich komplett verlaufen, bin acht Kilometer Umweg gegangen“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Es war viel zu spät, um so kurzfristig noch was zu buchen. Also habe ich einen Aufruf gepostet.“ Innerhalb von 15 Minuten findet er eine Unterkunft in Kelheim und darf zusammengekuschelt mit zwei Katzen auf der Couch eines bis dahin Fremden übernachten.

Daniel sitzt auf den Stufen der Walhalla in Donaustauf (Regensburg)

Am Tag darauf in Regensburg angekommen, wartet schon die nächste Überraschung. Eigentlich ist die Unterkunft schon geregelt, doch die Bewohner müssen kurzfristig in Quarantäne. Daniel, den die Nachricht beim Wäsche waschen im Waschsalon erreicht, muss draußen bleiben. Nächster Aufruf, nächstes Glück! „Da schreibt mir meine Cousine, dass wir Verwandte in Regensburg hätten. Also bin ich die vier Kilometer zu ihnen gelaufen, im Rucksack die nasse Wäsche. Die durfte ich zum Glück dort aufhängen und bis Mitternacht sehr gute Gespräche führen.“

Daniel hält den gelben Fußball glücklich in die Kamera

Auf die Frage nach dem schönsten Moment seiner Pilgertour schießt Daniel ein Bild in den Kopf: ein gelber, zerfetzter, fast platter Fußball am Wegesrand. „In diesem Moment waren alle Schmerzen weg. Ich habe mich gefühlt wie ein Kind und eineinhalb Stunden auf diesen Ball eingetreten.“ Als Abschiedsgeschenk und kleine Hommage an Wilson aus „Cast Away – Verschollen“ verpasst Daniel ihm noch ein lächelndes Gesicht.

Daniels analoge Kamera (Olympus OM1)

Maximale Entschleunigung

Wer Daniel kennt oder ihm in den sozialen Medien folgt, kennt auch seine kommunikative Art. Der „Hubi“ lächelt stets gut gelaunt in die Kamera und berichtet gerne täglich über Leben und Arbeit. Auch auf der Pilgertour dokumentiert er fleißig, produziert sogar eine kleine Podcast-Serie. „Gerade am Anfang verspürte ich eine starke Unruhe in mir. Ungeduldig, getrieben und voller Tatendrang. Auf der Suche nach Veränderung, jedoch ohne Plan.“

Also, Handy nicht nur in die Hosentasche stecken, sondern ganz tief im Rucksack vergraben und einfach mal vier Stunden am Stück laufen. Und wenn ihm doch ein besonderer Moment begegnet, greift Daniel nach seiner analogen Kamera, einer 50 Jahre alten Olympus OM1. „Da überlegst du dir ganz genau, wie du deine Ressourcen einsetzt. Nimmst du den Moment jetzt mit oder behältst du ihn für dich? Das erdet einen und macht gleichzeitig dankbar.“

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Angekommen in einer neuen Gefühlswelt

Am 12. Februar erreicht Daniel Passau – der Einzug erfolgt etwas unspektakulär über ein Industriegebiet am Donauhafen. Als er jedoch im Kern der Altstadt eintrifft, dort wo Ilz und Inn in die Donau münden, kommt er gefühlsmäßig an. Er setzt sich auf einen Hafenpoller und blickt aufs Wasser. „Jetzt fühlt es sich richtig an.“ Stolz und Dankbarkeit umgeben ihn. Zehn Tage, die ihn nachhaltig verändert und eines gelehrt haben: „Du kannst alles schaffen, wenn du geduldig bist.“

Von dieser Erfahrung inspiriert und auf spiritueller Ebene bereichert, schmiedet Daniel schon die nächsten Pläne. 1.500 Kilometer will er nächstes Jahr auf der japanischen Insel Shikoku zurücklegen. Auf dem buddhistischen Pilgerweg begegnen einem 88 heilige Orte. „Das ist eine Investition in mich selbst. Darauf spar ich jetzt und dann bin ich für ein halbes Jahr weg.“ Komplett weg? Den ein oder anderen Post wird er sich mit Sicherheit nicht verkneifen können.

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