Handwerk
LesenSteinmetze
Autor: Hanno Meier
Fotos: Hanno Meier

Eine coole Frau in einer steinharten Männerdomäne

Ein „rosa Hammer“? – das klingt mehr nach Mädchenspielzeug als nach hartem Handwerksjob. Doch über den Spruch „Mädchen, was willst du denn hier?“, kann Julia Pröll schon lange lachen. Er hämmerte sich in das Selbstbewusstsein der jungen Oberpfälzerin wie der vom rosa Hammer getriebene Meißel in den Granitblock, der vor ihr liegt.

Ein harter Kampf

Anfangs wurde sie noch belächelt – von den männlichen Kollegen in der Meisterschule der Steinmetze. Auch bei den Freundinnen fand ihre Entscheidung fürs Handwerk wenig Zuspruch. Die junge Oberpfälzerin ging dennoch ihren Weg. Mit 20 war sie jüngste Meisterschülerin aller Zeiten in ihrem Beruf und noch dazu eine Frau in einer steinharten Männerdomäne. Unter Mitschülern, die durchwegs zehn Jahre älter waren und Ausbildern, die sich mit der ersten Frau in ihrem Handwerk konfrontiert fanden. Heute ist sie Juniorchefin im elterlichen Steinmetzbetrieb und beweisen braucht sie schon lange keinem mehr was. Aber das „war ein harter Kampf“, für die Steinmetzmeisterin, der ihr vor allem eines brachte: Selbstbewusstsein. „Weil ich mich einfach durchsetzen musste!“

Julia – groß, schlank, lange dunkle Haare – fährt im Gabelstapler vor. Auf dem Lader liegt ein rotgemaserter Granitsteinblock. Geschätzt mehrere hundert Kilogramm schwer. Auf dem Weg vom Hof zur Halle. Sie will nur eins nicht, sagt die 29-jährige als sie den Motor abstellt: „Als dieses suggerierte Mannweib-Ding im Steinmetzberuf dargestellt werden“. Sie sei Steinmetzmeisterin geworden, weil sie einen Beruf wollte, in dem sie handwerklich gestalten kann, fügt sie an und weiß: In ihrem eng geschnittenen, schwarzen Arbeits-Outfit würde die junge Steinmetzmeisterin auch als Model auf dem Workwear-Laufsteg eine ausnehmend gute Figur abgeben.

Julia Pröll schiebt einen schweren Stein aus der Halle

Frauenhammer

Die tonnenschweren Steinquader überlässt sie inzwischen ohnehin lieber den 10 Angestellten des Familienbetriebs. Durchwegs Männer, die das für ihre Junior-Chefin mit genauso viel Respekt erledigen, wie für ihren Chef, Julias Vater, der ihr zu Beginn ihrer ungewöhnlichen Handwerkerkarriere jenen rosa Hammer schenkte. „Frauenhammer“, nennt ihn seine Tochter, auf die der Vater sichtlich stolz ist. Seine Farbe sollte eigentlich nur männliche Kollegen von Julias Arbeitsgerät fernhalten und wurde irgendwie zu ihrem Markenzeichen seit dem ersten Ausbildungstag.

Meisterstück

Schlag für Schlag trieb sie damit ihr Meisterstück aus dem harten Stein und bewies allen, was sie kann: Ihrem Vater, den Prüfern, den Meisterklässlern und vor allem sich selbst. Während ihre männlichen Kollegen weiche Specksteine formten, stemmte ihr Frauenhammer eine unglaublich präzise Welle für einen Altartisch aus einem richtig harten Brocken Stein. So hart, dass sie fast daran verzweifelte. „Der Gedanke ist das Produkt der Individualität“, meißelte sie in den gut eineinhalb Meter langen und einen Meter tiefen Monolith, der heute die Straßenfront des Firmengeländes ziert. Wenn die wohl einzige Steinmetzmeisterin Bayerns darauf Platz nimmt, dann spürt man auch Jahre danach noch eine tonnenschwere Meisterlast von ihren Schultern fallen. 80 Stunden mit Frauenhammer und Stahlmeißel. Gefühlte 1.000 Blasen an den Händen. Arme, glühend wie Schweißdioden. Manchmal können es sich ihre Freundinnen nicht verkneifen sie zu necken und erzählen von Julias geschundenen Händen in jener Zeit nach den 14 Meisterstückarbeitstagen. „Doppelt so dick wie normal“, waren sie. „Damals war’s nicht lustig“, ist ihr anzusehen. Aber da musste sie, da wollte sie durch.

Präzision und Sicherheit

Julia hat es geschafft. Auf fahrbaren Arbeitstischen liegen Grabsteine unterschiedlichster Farben in ihrem „Atelier“, wie sie die 50 Quadratmeter am Eingang zur großen Betriebshalle nennt. Rötlich, grau, marmorfarben. Einen schiebt sie in die Mitte, tritt kräftig in die Bremsenfixierung. So ein Grabstein wiegt schnell mal 300-400 Kilo. Da müssen Wagen und Schuh was aushalten.

Sie stülpt den gelben Gehörschutz über das schwarze Haar, klappt die Schutzbrille vor die Augen, wechselt kurz die Meißelspitze des Drucklufthammers und beginnt den Namen eines Verstorbenen in roten Granit zu gravieren. Buchstabe für Buchstabe. Mit voller Konzentration und unglaublicher Präzision. Serifen, Antiqua, gebrochene Schrift. Julia Pröll liebt das Künstlerische an ihrem Beruf, so wie die inzwischen viel zu seltenen Sessions mit ihrer Rockband, der sie ihre Stimme nach Feierabend gibt. Sie mag die verschiedenen Schrifttypen, die individuell gestalteten Applikation. Das ist ihre Welt. Sie zeichnet freihändig Namenszüge in altdeutschen Lettern auf die Gedenksteine. Sie gestaltet ein edles Treppenportal, sie nimmt millimetergenaues Maß für Küchenarbeitsplatten, sie führt Kundengespräche und manchmal steigt sie auch in den Gabelstapler oder greift zur großen Flex. „Die Abwechslung macht ihr am meisten Spaß“, sagt die junge Schwandorferin, die in einem ausgesprochenen Männerhandwerk ihren Traumjob gefunden hat und sich sicher ist: „Der rosa Hammer wurde zu meinem Glücksbringer.“

Vorheriger Beitrag
Die Natur formen
Nächster Beitrag
Handwerk anno dazumal

Das könnte dich auch interessieren