Handwerk
Autor: Hanno Meier
Fotos: Hanno Meier

Ewald Haimerl: Fundament des Erfolgs

Ewald Haimerl prägte HAIX. Als er 1987 einstieg, zählte der Familienbetrieb 15 Mitarbeiter und stellte Schuhe im Auftrag anderer Marken her. Er revolutionierte mit seiner Entwicklung des Feuerwehrstiefels den Markt und baute die Firma HAIX zu dem auf, was sie heute ist.

Der Anfang

Eine Geschichte erzählte Ewald Haimerl oft: Als Deutschland 1974 bei der Fußball WM im Endspiel die Niederlande besiegte, hatte das für HAIX drastische Konsequenzen. Der wichtige holländische Geschäftspartner stornierte postwendend alle Aufträge für den deutschen Schuhmacher. 12 war Haimerl damals. Polizist wollte er eigentlich werden, schaffte die Aufnahmeprüfung für den Bayerischen Polizeidienst mit Anfang 20. Doch dann entschied sich sein älterer Bruder als designierter Nachfolger für einen anderen Karriereweg. Also fragte der Vater den jüngeren Sohn. So übernahm Ewald Haimerl Ende der 1980er Jahre Verantwortung im Familienunternehmen.

Die Entscheidung

„Keine leichte Entscheidung“, gab er in einem Interview einmal zu. Die ersten Jahre waren alles andere als leicht. Anfang der 1990er stand er vor dem gleichen Problem wie sein Vater 20 Jahre zuvor. Erneut musste ein großer Kunde der damaligen Auftragsschuhmacherei in Mainburg die Aufträge stornieren. Der junge Chef wusste kaum, wie er die Löhne für seine 15 Angestellten ausbezahlen sollte.

Die Idee

„Blaulicht und alles was Tatü tata macht“, war schon immer sein großes Steckenpferd. Als stellvertretender Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr rückte er mit seinen Kollegen in den damals standardmäßigen gelben Gummistiefeln aus. Für einen Schuhmacher der worst case. Für Ewald Haimerl die Entdeckung einer Marktlücke: Feuerwehr-Einsatzstiefel aus Leder mit wasserdichter Membran und Schutz für die Füße. „Wenn er eine Idee hatte, verfolgte er sie mit unglaublicher Geradlinigkeit“, wissen alle, die mit ihm je zu tun hatten.

Kompetenz und Kreativität

Die Stiefel des Mainburger Funktionsschuhspezialisten waren gut. Das sprach sich auch dank Haimerls unglaublichem und unkonventionellem Verkaufstalent schnell herum. Er gab seiner Firma ein Gesicht, stand gerne in der Öffentlichkeit. Der Schuhmachermeister aus Mainburg war das, was man in Bayern landläufig eine „Rampensau“ nennt. Als ihm bei einem Geschäftsessen in den USA die Anwesenden wenig Aufmerksamkeit schenkten, stellte er sich kurzerhand in seinen Feuerwehrstiefeln auf den eingedeckten Tisch – und alle hörten dem „crazy German“ zu. Crazy?  „Wir sind anders als die anderen, vielleicht auch ein bisschen verrückt, im positiven Sinne“, auch das war sein Statement.

Unter Ewald Haimerls Führung entwickelte man Einsatzstiefel für Rettungsdienst, Polizei und Militär, und bald schon Schuhe für Arbeit, Forst- und Landwirtschaft, für Outdoor, Trekking, Freizeit und Streetwear. Der Name HAIX war plötzlich eine Marke und die wuchs aus der Kernzielgruppe heraus in geradezu schwindelerregendem Tempo.

Bodenständigkeit und Charisma

Auch als erfolgreicher Unternehmer blieb er immer geerdet – in der Heimat und im Leben. Er setzte sich zu den Kameraden in der Feuerwache, war schnell auf Du und Du, begeisterte charismatisch seine Gesprächspartner und schaffte sich Freundschaften auf der ganzen Welt. Unterwegs für eine Reportage in seinem Auftrag kam mir der Captain der Fire Station von Chicago North entgegengelaufen mit der Frage: „How is my friend Ewald doing“. In Washington D.C. lud ihn der Fire Chief persönlich zu einer Stadtrundfahrt auf dem Fireboat ein. Anekdoten wie diese kursieren in ungezählter Zahl. Mit seiner kleinen Oldtimer-Sammlung lebte er sein Blaulichtfaible auch zuhause aus.

Der Macher

Ewald Haimerl hörte zu, wenn einer was zu sagen hatte. Er machte sich ein Bild davon und verarbeitete alles mit eigenem Wissen und sicherem Instinkt zu einem Ziel. „Die Idee allein hilft dir nichts“, pflegte er gelegentlich zu sagen: „Du musst sie umsetzen!“ Aus dem Engagement im Feuerwehrsport verfolgte er das Entwicklungsziel des leichtesten Einsatzstiefel, den es je gab. Erzählte ihm ein Fotograf, dass man bei all dem schwarzen Leder den Stiefeln das „HAIX“ nicht ansieht, machte er daraus gelbe Applikationen, verarbeitete sie zu sicherheitsrelevanten Funktionsmerkmalen und gestaltete damit eine unverkennbare optische HAIX-Identität. War er einmal von seiner Idee überzeugt, konnte ihn nichts mehr davon abbringen. Weder von der Faszientechnologie in (Sicherheits-)Schuhen noch von neuartigen Verschlusstechniken oder unzerstörbaren Schnürsenkeln. Der Erfolg gab seinen Entscheidungen fast immer recht.

Das Fundament

So baute er innerhalb von nur drei Jahrzehnten die kleine Mainburger Familienschuhmacherei zu einem Global Player auf. Aus 15 Angestellten waren fast 1.500 geworden, als Ewald Haimerl 2019 mitten aus dem Leben gerissen wurde. Einem Leben, über das er immer sagte: „Ich habe nie studiert, aber mein ganzes Leben lang gelernt.“

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