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Autor: Julia Simon
Fotos: Hanno Meier

Geballte Frauenpower

Neun Unfallfahrzeuge an einem Tag. Alle Patienten werden von Feuerwehrfrauen befreit. Was wie eine Massenkarambolage auf der Autobahn klingt, ist das Fazit des Trainings in Technischer Hilfeleistung. Und die Frauschaft keine Barbie-Fantasie, sondern die Besonderheit der Ausbildung „Women only“.

Standard-Lage, Seitenaufprall, Dachlage

Dreiunddreißig Frauen von Feuerwehren und Technischem Hilfswerk haben von 21. bis 22. Juli mit HAIX und WEBER RESCUE Rettungstechniken bei Verkehrsunfällen auf dem HAIX Firmengelände in Mainburg geübt. Auch Anna aus Lermoos hat dem einzigartigen Training entgegengefiebert: „Es war wirklich einmalig und unvergesslich.“ Denn dieses Training hat es in sich.

Auch wenn viele Teilnehmerinnen erzählen, dass sich die Heimatfeuerwehren viel Mühe bei der Ausbildung geben – wann bietet sich schon die Chance, an einem Tag in Kleingruppen an jeweils drei Autos üben zu können? Jede Lage ist unterschiedlich. Was bei einem Szenario funktioniert, klappt beim nächsten Verkehrsunfall vielleicht nicht und fordert neue Lösungen. Notärztin Verena fasst die Herausforderung so zusammen: „Es gibt eben nicht immer nur eine Lösung. Deshalb war es spannend, dass wir für jede Lage mehrere Zugangsoptionen ausprobieren konnten.“ Auch andere Teilnehmerinnen lernen, standardmäßig das Dach abzunehmen ist nicht unbedingt immer der einzige und beste Rettungsweg.

In der „Standard-Lage“, einem stehenden PKW, dessen Fahrer durch einen Frontalaufprall an den Beinen eingeklemmt ist, bieten sich endlose Rettungsoptionen: Das Tunneln mithilfe eines Spineboards über den Kofferraum, eine Rettung über die Fahrertür oder Seitenöffnung – oder eben die „Cabrio-Variante“ mit Abtrennen des Daches. Beim Seitenaufprall haben die Retterinnen schon weniger Platz, eine Seite des Fahrzeuges ist unzugänglich. Zunächst gilt es, dem Fahrer schnell wieder Platz zu verschaffen. Die Dachlage fordert dann komplettes Umdenken bei der Erkundung: Fahrerseite, Beifahrerseite – alles steht Kopf. Die Feuerwehrfrauen entfernen nach dem sicheren Unterbau mit Holzklötzen zunächst den Kofferraumdeckel. Auf diese Weise schaffen sie einen Zugang für die innere Retterin, um ins Auto zu klettern und Kontakt zum Fahrer aufzunehmen.

Powerfrauen unter sich

Alles spielt sich unter den aufmerksamen Augen der Übungsleiterinnen und Übungsleiter ab. Die Trainerinnen und Trainer helfen bei der Handhabung der Geräte und stehen mit Tipps parat, etwa wie die Frauen an die ein oder andere Stelle leichter herankommen oder ergonomisch und kraftsparend arbeiten können. Schließlich gilt es alle mitzunehmen, egal mit welchem Vorwissen und aus welcher Ecke Österreichs oder Deutschlands. Von Lermoos und Sankt Pölten sind auch zwei Österreicherinnen nach Bayern gereist. „Der Austausch über die Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich war wirklich interessant. Allgemein haben andere Wehren Erfahrungen mit anderen Vorgehensweisen, an die ich selbst vielleicht gar nicht denke“ , erzählt die Österreicherin Anna.

Zur Einsatztaktik liefern die Frauen die Ideen fürs Vorgehen aber selbst. Die erfahrenen Ausbilderinnen und Ausbilder beantworten jede Frage und gehen auf jeden Vorschlag ein. Einfach ausprobieren ist die Devise. Selbst austesten was funktioniert oder wie es besser geht.

Neugierde statt Zurückhaltung

Einmal nur mit Frauen zusammenarbeiten – das gibt es sonst nicht in der Feuerwehr. Die Tirolerin Anna erklärt den Vorteil so: „Oft ist man neben den Männern eben doch etwas zurückhaltender, aber in diesem Training wollte ich am liebsten die ganze Zeit selbst ran.“ Alle bringen einen unterschiedlichen Wissenstand mit: Von Kameradinnen des Technischen Hilfswerks oder Feuerwehrfrauen mit frisch abgeschlossener Ausbildung, die an diesem Wochenende das erste Mal so richtig mit Schere, Spreitzer und Zylindern arbeitet, bis hin zu erfahrenen Gruppenführerinnen und einer Notärztin. Gemeinsam erarbeiten die Frauen die L.sungen für den Übungseinsatz. Die Chemie stimmt sofort und die Atmosphäre ist einzigartig.

Nach über zehn intensiven Stunden Techniktraining haben die Teilnehmerinnen neun Dummy-Patienten erfolgreich aus ihren Unfallfahrzeugen befreit. Das Fazit: „Das war kein THL-Training light, sondern hatte es ganz schön in sich!“

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