Inge und Josef stoßen beim Zwickeln mit Biergläsern an
Handwerk
Autor: Inge Fuchs
Fotos: Karen Hanne

Bierbrauen für Anfänger

Ein Tag Praktikum bei Schneider Weisse

Ich trinke gerne Bier. Wie cool wäre es dann, wenn ich es selbst herstellen könnte? Also habe ich bei der ältesten Weißbierbrauerei Bayerns angefragt, ob ich mal ein bisschen mitm(a)ischen darf. Ob ich den Herausforderungen des Brauhandwerks gewachsen bin, zeigt sich bei meinem Besuch bei Schneider Weisse in Kelheim.

Inge beim sogenannten zwickeln

Starker Start beim Eisbock zwickeln

Wasser, Hopfen, Malz – das sind alle Zutaten, die es laut Reinheitsgebot fürs Bierbrauen braucht. „So schwierig kann das dann doch gar nicht sein“, denke ich mir. Ich mag Bier und als Teenager hatte ich tatsächlich mal Brauerin auf meiner Berufswunschliste stehen. Deswegen fühle ich mich für heute voll motiviert, bin wissbegierig und freue mich auf den Tag mit Braumeister Josef. Er arbeitet seit zweieinhalb Jahren bei Schneider Weisse und hat den vollen Überblick über die Produktion. Als erstes nimmt er mich mit zu den Lagertanks: Riesige, silberne Stahlzylinder erstrecken sich über den Raum. Ungefähr auf Augenhöhe ragt ein feines Röhrchen, so dünn wie ein Strohhalm, heraus. Beim sogenannten „zwickeln“ geht es darum, das Produkt zu probieren. Josef dreht das Ventil auf und ein feiner Strahl karamellfarbener Flüssigkeit schießt in die bauchigen Gläser.

Mein Tag startet also mit einem fast fertigen Bier, einem Eisbock. Dieser stammt vom Doppelbock ab, welchem durch Gefrieren das Wasser entzogen wird. Die sonstigen Inhaltsstoffe konzentrieren sich dadurch und schmecken somit noch intensiver. Diesen Prozess haben wohl Brauer aus früheren Zeiten rein zufällig entdeckt, als sie eines kalten Winters ihre Bierfässer draußen vergessen haben. Wir schnuppern ins Glas, nippen daran.  „Schmeckt wie Weihnachten“, sagt Josef und da stimme ich ihm zu. Mein Frühstück hat heute ausnahmsweise einen Alkoholgehalt von zwölf Prozent. Ein starker Start in einen Tag, der mir noch den Kopf verdrehen wird.

Josef übergibt Inge die Bierspindel

Spindeln im Bier-Labyrinth

Schneider Weisse ist die älteste Weißbierbrauerei Bayerns. Der Gebäudekomplex ist teilweise über 400 Jahre alt, wurde immer wieder ergänzt und vergrößert. Mein Orientierungssinn hat mich bei den ganzen Türen und Treppen schon längst verlassen. Also renne ich Josef einfach hinterher, bis wir uns zwischen großen silbernen Kesseln im Sudhaus wiederfinden. In der Mitte steht etwas, das aussieht, wie ein Waschbecken mit rundem Guckfenster. Hier strömt eine rötliche Flüssigkeit vorbei, die Würze. Mit der sogenannten „Bierspindel“ – einem gläsernen Messgerät, das wir behutsam in einen Auszug abgekühlter Würze tauchen – bestimmen wir die Stammwürze. Die Bierspindel steigt ein kleines bisschen nach oben, pendelt sich ein und zeigt einen Wert von 18 Grad Plato. Das ist wichtig für die spätere Versteuerung des Biers, erfahre ich.

Bei der Malzannahme sortiert Inge die Malzkörner mit einer Pinzette

Hopfen und Malz unter die Lupe genommen

Bei der Malzannahme schauen wir ganz genau hin. Damit die Qualität immer auf dem gleichen Niveau bleibt, darf ich im Labor die sogenannte Handbonitierung durchführen. Ich greife zur Pinzette und untersuche durch eine Lupe die Körner. Wie Aschenputtel picke ich die schlechten heraus. Schlecht heißt in dem Fall, dass es zum Beispiel ein Gerstenkorn anstelle eines Weizenkorns ist oder das Weizenkorn optische Mängel aufweist. Ich muss gestehen, das fokussierte Auslesen des Getreides entspannt mich sehr. Der perfekte Zeitpunkt, um in ein ganz besonders duftendes Lager zu schauen.

Der Hallertauer Hopfen verleiht dem Bier seine typisch würzige Note. Für die Hopfendreingabe können wir den Bottich im Sudhaus allerdings nicht einfach so öffnen. „Wenn 30.000 Liter, die bei Hundert Grad kochen, rausschießen, haben wir alle ein Problem“, erklärt Josef. Deswegen speisen wir die Hopfenpellets über Druckbehälter in die Würze ein. Ob mehr Bittere oder mehr Aroma ins Bier kommen soll, entscheidet der Zeitpunkt. Wir wählen den mittleren Behälter aus: aufschrauben, Pellets reinkippen, wieder zuschrauben. Den Rest übernehmen die Leitungen für uns.

Inge schüttet die Hopfenpellets in den Druckbehälter

Brauerisch für Anfänger

Maischen, Läutern, Zwickeln – Brauer haben ihre eigene Sprache. Klar, das Handwerk ist uralt. Auch wenn die Vorgänge mittlerweile technisch modernisiert wurden, haben sich die traditionellen Begriffe gehalten. „Zwickeln heißt so, weil die Brauer früher aus den Holzfässern ein kleines Loch rauszwicken mussten, um das Bier probieren zu können“, erklärt mir Josef. Neben ursprünglichen Begriffen legt die Schneider Weisse Brauerei ebenso Wert aufs Handwerk. Zum Beispiel schöpfen die Brauer bei der offenen Gärung die überschüssige Hefe per Hand ab.

Damit ich mir darunter etwas vorstellen kann, gehen wir in den Gärkeller. Hier stehen große Bottiche, in denen insgesamt 300.000 Liter Bier gären. „Die Bottiche sind offen, dadurch bekommt die Hefe weniger Sauerstoff, das stresst sie mehr und sorgt für besseres Aroma“, erklärt mir Josef. „Stress sorgt also für bessere Ergebnisse. Das ist bei mir definitiv nicht der Fall“, denke ich mir. Und das merke ich, als Josef versucht, mir ein paar chemische Prozesse des Bierbrauens näherzubringen. Es geht um Enzyme und Mikroorganismen, die bei verschiedenen Gradzahlen unterschiedliche Dinge tun – die Fragezeichen in meinem Kopf vermehren sich, wie der Alkohol bei der Gärung. Drei einfache Zutaten und ein komplexer Prozess: Beim Bierbrauen ist neben Handwerk jede Menge Fachwissen gefragt. Mein Crashkurs neigt sich dem Ende zu und ich merke, meine Aufmerksamkeitsspanne auch.

Josef erklärt und Inge hört zu

Eine Karriere als Braumeisterin?

Eins ist mir nach diesem Tag bewusst geworden: Es ist nie zu spät, in deinen Traumberuf zu starten, solange es das ist, was du wirklich willst. Josef ist das beste Beispiel dafür. Er hat zunächst ein BWL-Studium absolviert und anschließend in der Papierindustrie gearbeitet. Erst mit 28 Jahren hat er seine Ausbildung zum Brauer begonnen. Heute leitet er als Braumeister die Produktion der ältesten Weißbierbrauerei Bayerns. „Mein Traum war es immer beruflich etwas richtig gut zu können, also ein Handwerk zu beherrschen. Dass ich mithelfen darf, diese jahrtausendealte Kunst des Bierbrauens zu bewahren, um sie irgendwann einmal an die nächste Generation weiterzugeben, macht mich stolz. Ich liebe gutes Essen und gutes Bier und deshalb gehe ich jeden Tag gerne in die Arbeit“, schwärmt Josef.

Meine persönliche Einschätzung: Hopfen und Malz sind bei mir nicht verloren. Trotzdem überlasse ich das Brauen den Profis. Das wertvolle Handwerk des Bierbrauens kann ich zum Glück auf eine andere, wertschätzende Art erfahren, nämlich, indem ich mich entspannt zurücklehne und das Endprodukt genieße.

Vorheriger Beitrag
Eine Box für Kitze
Nächster Beitrag
Etwas Eigenes aufziehen

Das könnte dich auch interessieren