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Autor: Karen Hanne
Fotos: Jule Rombey, Mara Pischl

Mit Herz und Hammer

Eine Realität, die zutiefst berührt – die haben Tischlermeisterin Jule Rombey, Schreinerin Mara Pischl und Kirchenmalermeisterin Maren Kogge gemeinsam mit weiteren jungen Handwerkerinnen und Handwerkern in Ruanda erlebt.

Miteinander, Füreinander

Im Herbst 2023 waren die drei Teilnehmerinnen beim Sozialen- und Bildungsprojekt für Rwanda, organisiert von der EURwanda Handcraft Foundation e.V.. Dort konnten sie anpacken und das Leben der Menschen vor Ort verbessern.

Kennengelernt haben sich die drei jungen Handwerkerinnen im Sommer bei einem HAIX-Event. Die Chemie zwischen ihnen stimmte sofort. Maren Kogge, die amtierende Miss Handwerk, brachte schließlich die Teilnahme am Hilfsprojekt ins Spiel. Mara und Jule waren sofort Feuer und Flamme. „Ich würde das jederzeit wieder machen, das war so ein tolles Erlebnis, etwas Gutes zu tun“, berichtet Mara. „Es war eine mega Erfahrung“, pflichtet Jule bei.

Insgesamt 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind Ende Oktober in das Land in Ostafrika gereist. Unter anderem waren Maler, Schreiner, Raumausstatter sowie ein Elektriker an Bord. Ziel des Projektes ist es nicht nur, aktiv Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, sondern ebenso den kulturellen Austausch zu fördern. Auch in diesem Jahr haben die jungen Handwerkerinnen und Handwerker gemeinsam mit ruandischen Berufsschülern und -schülerinnen eine kleine HMP-Community (Historically Marginalized People) unterstützt, die selbst tatkräftig mit angepackt hat.

Die Umstände vor Ort seien erschreckend, berichtet Jule. „Nur das zu haben, was man am eigenen Körper trägt“, sei für sie vorher unvorstellbar gewesen. Es sei ihr vorgekommen, als wären die Menschen dort völlig in Vergessenheit geraten. Bei ihrer Ankunft hätten die Einwohner weder Strom noch Wasser und seit Tagen nichts zu essen gehabt. Spontan entstand eine Spendenaktion, von dem Geld beschafften die Projektteilnehmerinnen und Teilnehmer Reis und Nahrungsmittel.

Wissen weitergeben

Untergebracht waren die Handwerkerinnen und Handwerker in einem Gästehaus, das mit einfachster Ausstattung auskam. „Beschwert hat sich darüber niemand“, sagt Mara. Hauptsächlich arbeiteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Jugend- und Gemeindezentrum der HMP-Community. Dieses liegt immerhin noch 25 Gehminuten von den Wohnhäusern entfernt. Das lokale Team der EURwanda Handcraft Foundation hat das Projekt zusammen mit der HMP-Community vorbereitet und Material vor Ort organisiert. Die Handwerker und Handwerkerinnen brachten ebenfalls einiges an Material und Werkzeug nach Ruanda. So konnten die Projektteilnehmer und Teilnehmerinnen direkt anfangen.

Die Handwerkerinnen und Handwerker sanierten gemeinsam mit den Berufsschülern, das Jugend- und Gemeindehaus. Sie bauten Bänke und Bettgestelle für die Einheimischen, die bisher auf dem kalten Boden schlafen mussten. Viele kämpften mit Lungenentzündungen. Die Menschen sind es gewohnt, nah beieinander zu schlafen. Daher legten sie die Gestelle für sechs Personen aus. Die Betten wurden bespannt und mit Laub gepolstert – Matratzen sind ein Luxus, den sich die Community nicht leisten kann. Im Dorf selbst erledigten die Helferinnen und Helfer wichtige Arbeiten wie Malern oder das Anlegen von Kanälen für Strom und Wasserleitungen.

Die Berufsschüler, die selbst nicht aus der Community stammen, konnten wertvolles Wissen sammeln, so dass die Hilfe vor Ort weitergeführt wird. Mara hat ihnen beispielsweise gezeigt, wie man Deckenkonstruktionen in den Häusern anbringen kann. „Unsere Berufsschulbuddys können das jetzt selbst machen.“ Auch um den Stromanschluss wollen sich die Helfer vor Ort kümmern, nachdem die Leitungen jetzt vorhanden sind. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben hingegen gelernt, noch nachhaltiger mit den vorhandenen Mitteln umzugehen. „Für die Menschen dort war es gar keine Option, Material zu verschwenden“, erzählt Jule.

Ein prägendes Erlebnis

Dass sie nun eigene Bänke und Betten haben, rührte die Dorfbewohner zu Tränen. Mara, Jule und Maren regte es ebenso wie die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an, über die eigenen Probleme nachzudenken. „Da fängt man wirklich an zu hinterfragen, ob die Sachen, die uns fehlen, wirklich so schlimm sind“, sagt Jule. Inmitten von Armut und Not zeigte sich die Bedeutung von Solidarität und der Kraft der Hilfe, um die Lebensbedingungen dauerhaft zu verbessern.

Besonders die Kinder in der Community sind Mara in Erinnerung geblieben. „Die hatten so ein Strahlen in den Augen. Wir hatten Seifenblasen dabei, da haben die fast geweint“, erinnert sie sich an die Freude, die schon so einfache Dinge bringen können.

Bei ihrer Heimkehr hingegen fühlte sie sich überflutet, von dem Wohlstand, dem Überangebot. „Hier schauen die Leute, dass die Paprika ja keine Delle hat. In Ruanda ist man froh, wenn man überhaupt was zu essen hat.“ Sie wünscht sich mehr Bewusstsein und Wertschätzung für die Dinge, die man hat. Denn sie hat gesehen, was es bedeutet, wenn Lebensmittel und Wasser, ein Bett und ein Dach über dem Kopf nicht selbstverständlich sind.

Eine Community am Rand der Gesellschaft

Wie gerät eine ganze Gemeinschaft so in Armut? Die Ursache für die erschütternde Situation: Ursprünglich lebte die HMP-Community in einem Waldgebiet und ernährte sich durch die Jagd. Da in dieser Gegend Gorillas beheimatet sind, die wiederum als Touristenattraktion gelten, erklärte die Regierung das Land kurzerhand zum Nationalpark und siedelte die Einwohner zwangsweise um. Sie haben Häuser mit vier Wänden und einem Dach bekommen, waren aber nicht vorbereitet, auf diese Weise zu leben und an der ruandischen Gesellschaft teilzunehmen. Dazu bekamen sie fast keine weitere Unterstützung.

Doch damit verloren die Menschen auch ihre einzige Nahrungsquelle. Ackerland ist zu teuer, das Pflücken von Früchten gilt als Diebstahl, Betteln ist in Ruanda verboten. Die Bewohner haben kaum Möglichkeiten zu arbeiten, da sie keine Berufe gelernt haben. In einfachen Häusern ohne Strom und Wasser schlafen sie auf dem Boden. Viele Kinder leiden unter Lungenentzündungen.

Das Miterleben dieser Zustände war für Jule, Mara und Maren schockierend. Umso mehr Hoffnung haben die drei in dem Projekt gefunden. Gemeinsam mit Berufsschülern aus der Region haben sie in wenigen Tagen einiges dazu beigetragen, die Situation vor Ort zu verbessern. Nicht einmal die Berufsschüler waren sich der Armut in dieser Community bewusst.

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