Kürbiskernernte in der Steiermark
Die einen nennen es „grün“, die anderen „dunkel“ und manche sprechen sogar vom „schwarzen Gold“: Das Kürbiskernöl aus der Steiermark. Es gedeiht im „Grünen Herz Österreichs“ auf 8.600 Hektar sandigem, gut durchlüftetem Boden bei feucht-warmem Klima. Dort fühlt sich der Kernkürbis besonders wohl und das Produkt, das die Landwirte daraus machen ist legendär. Doch vom Feld bis zur Flasche stecken die Kürbispflanzer viel Fleiß in seine Verarbeitung. Nur etwa 500 Kilo Kerne gibt ein Hektar Anbaufläche im langjährigen Mittel her.
Wir sind in Söding-St.Johann, südlich der cool-lässigen Hauptstadt der Steiermark. Die Felder mit ihren gelb leuchtenden Pumpkins gehören zum Landschaftsbild wie die Kirchturmspitzen zwischen die sanften Hügel und der Backhendl-Salat mit steirischem Kürbiskernöl, auf die Speisekarten, die er anführt wie Sturm Graz soeben die erste Österreichische Fußballiga.
Vor dem schmucken Hof der Familie Lackner glänzt ein hochgewachsener Nussbaum im frühen Tageslicht. „Die Erntemaschine ist schon draußen“, sagt Wilfried Lackner und packt Schaufel und Mistgabel in den Caddy. „Die Schaufel, wenn die Straße vom Trekker verschmutzt ist, die Mistgabel, um einzelne Kürbisse aufzuspießen, die die Erntemaschine vergisst“, klärt der Landwirt über die beiden unverzichtbaren Werkzeuge des Kürbisbauern auf.
Es ist gatschig, rutschig, feucht und nass. Der zufällige Betrachter mag es erst mal kaum fassen. Die Erntemaschine mit ihrem igelartigen Laufrad spießt die gelben Kürbisse auf, bugsiert sie nach oben in den Schredder und dieser schleudert das gesamte Kürbisfleisch wieder zurück aufs Feld. Nur die klebrigen Kerne bleiben im Tank. Sie sind der wahre Schatz des landwirtschaftlichen Kernöl-Kürbis-Anbaus. Das gelbe Fruchtfleisch schmeckt bitter, ist nicht brauchbar. Weder für eine gute Kürbissuppe noch für den Stall.
24 Hektar ist der Lackner-Hof groß. Rund ein Drittel davon bauen Vater und Sohn mit Kernöl-Kürbis an. „Wegen der Fruchtfolge ist das nicht immer ganz gleich“, sagt Lackner Senior, der seinen Hof schon vor ein paar Jahren an seinen Sohn Clemens übergeben hat. Er selbst betreibt eine Ölpresse. Als Obmann koordiniert der Senior in Söding-St.Johann außerdem den Einsatz von Mensch und Gerät für die ansässige Erntegemeinschaft. Drei Erntemaschinen, die Trocknungsanlage und was sonst noch dazu gehört für 32 Anbauer, die jährlich gemeinsam bis zu 300 Hektar Kernölernte einfahren.
Es ist Mitte September. Ernte-Saison. Sechs Wochen lang Hochbetrieb. „Es gibt auch Ackerböden, die bringen 1.000 Kilo Kerne pro Hektar hervor“, sagt Lackner. Aber das sei die Seltenheit. Im mehrjährigen Durchschnitt ist etwa die Hälfte realistisch. 2023 war der Anbau ohnehin eine wettertechnische Glückslotterie: Erst sehr früh im Jahr sehr warm, dann während der eigentlichen Aussaat kalt und verregnet. Weil die meisten Pflanzer erst hernach, oder hernach sogar ein zweites Mal aussäen mussten, ist man mit der Ernte trotz eines heißen Sommers spät dran. Hinzu kommen die anderen Wetterkapriolen, die den Kürbisbauern zu schaffen machen. Ein dickes Hagelkorn reicht schon und die Frucht fault auf dem Feld. „500 Kilo – dann bist du heuer schon weit vorn dabei“, so die Prognose des Kernöl-Profis.
Der Hänger ist voll. Wir begleiten den Ernteertrag zur Waschanlage, wo die Kerne mit dem anhaftenden Schlatz in der Waschgrube landen, vom Wasserstrahl durch die Siebgitter gespült, gereinigt, hochgepumpt, erneut gereinigt und letztlich in die Trocknungsanlage gekippt werden. Seine Kerne sind schalenlos, auch das macht den Kernölkürbis so besonders.
„24 Zentimeter“, übertönt der Junior-Chef den Maschinenlärm. Maximal 40 Zentimeter Schütthöhe sollten es sein, klärt sein Vater auf, damit die Luftzufuhr von unten optimal ausgesteuert werden kann. Die Trocknung ist Gefühlssache. „Wenn ein auf den Kernen aufgelegtes Blatt Papier davongleitet wie ein Luftkissenboot übers Wasser, dann passt’s.“
Die Trocknung dieser Charge wird etwa 12 Stunden dauern, bei anfänglichen 60 Grad, die sukzessive bis auf 20 Grad gedimmt werden, damit die Kerne am Ende der Trocknung nicht wieder schwitzen. Optimaler Weise liegt ihre Restfeuchte dann bei 6-8 Prozent. „Einen der wichtigsten Schritte der Verarbeitung“, nennt Wilfried Lackner diesen Prozess. „Sind sie zu trocken, kommt zu wenig Öl raus. Haben die Kerne zu viel Feuchtigkeit, lassen sie sich nicht g`scheit pressen.“
Mit der Trocknung endet das Aufgabenfeld des Obmanns: „Ab hier macht jeder Kürbispflanzer wie und was er will.“ Die einen lagern die getrockneten Kerne und Verarbeiten nach Bedarf und Nachfrage. Die anderen verkaufen ihre Kern-Ernte direkt an industrielle Großeinkäufer. Bei den Lackners landet der Kernertrag in der Schrotmühle, wird anschließend geröstet und vor dem Pressen mit Salz und Wasser zu einem zähen Brei vermanscht. Das Endprodukt füllt im Hofladen vom „WeberMichl“, so der Hofname der Lackners, ein eigenes Regal. In den schwarzen Kanistern sieht es nicht nur stylisch aus, sondern schmeckt auch zum Niederknien gut.
Röstgrad und Röstverfahren bestimmen das Aroma. Weshalb sich die Kernkürbisbauern beim Rösten der Kerne auch nicht gerne über die Schulter schauen lassen. „Eine halbe bis eine dreiviertel Stunde, mit mehr oder weniger Hitze, bis das Öl beginnt auszutreten“, verrät Wilfried Lackner. Weil’s jeder ein bisschen anders macht, schmeckt kein Öl wie das andere. Die Geschmacksvielfalt zählt zu den großen Geheimnissen des steirischen Kernöls.
Zum wohlverdienten Abschluss eines langen Tages gibt’s beim Wirt um die Ecke den allseits angepriesenen Backhendlsalat, mit steirischem Kürbiskernöl versteht sich. Spätestens jetzt wird klar: Völlig egal ob man es grünes, dunkles, oder schwarzes Gold nennt. Schon beim ersten Bissen möchte man sich ein zweites Mal niederknien und ein kurzes Stoßgebet zur Kirchturmspitze rufen: Einfach himmlisch.