Abenteuer
Autor: Julia Simon
Fotos: Karen Hanne

Heroes hinter der Piste

Wie freiwillige Helfer für Sicherheit zwischen Himmel und Hölle sorgen

Eine harte und eisige Piste, die in den Morgenstunden lediglich die Spuren der Pistenraupe zieren. Das ist meine Idealvorstellung einer perfekt präparierten Abfahrt. Das einzige Geräusch ist das Knirschen, wenn der Ski um die Kurve carvt. Eine Rennpiste im Ski-Weltcup teilt mit dieser Idylle lediglich die weiße Optik: Die eisglatte Piste lässt sich mit normalen Ski, auch mit scharf geschliffenen Kanten, kaum bezwingen. Wasser und Salz liefern ein Ergebnis, auf dem Schlittschuhe wohl eher das Schuhwerk der Wahl für Touristen wären. Im Zielraum jubelt die Menge und klatscht zum Soundtrack des DJs, während die Profis beim Herren Super-G in Garmisch-Partenkirchen durch Eishang und Hölle rasen.

Profis am Werk

Wie viel Arbeit in der Piste, hinter der Sicherheit und unter den Netzen steckt, sehen die Zuschauer auf dem Sofa vorm Fernseher nicht. Rund 500 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer arbeiten einige Wochen Hand in Hand, damit das Rennwochenende reibungsfrei über die Bühne geht. Denn die eigentliche Arbeit läuft schon Monate vorher an. Bereits im Herbst fliegen Hubschrauber lange vor der Skisaison die so genannten A-Netze an den Hang und die Experten der Zugspitzbahn bringen die Netze an den kritischen Stellen der Strecke in Stellung. Mit dem ersten Schneefall und ersten kälteren Temperaturen beginnt das Präparieren der Piste.

Helfer werden zu Wiederholungstätern

Zu 99,9 Prozent kehren die Helferinnen und Helfer nach Aussagen von Personalchefin Martina Betz wieder an die Kandahar zurück. Auch Thomas ist Wiederholungstäter. Der freiwillige Feuerwehrmann aus dem etwa 40 Minuten entfernten Polling kommt seit der Ski-Weltmeisterschaft 2011 regelmäßig wieder. Damals habe er den Helferaufruf entdeckt und sich einfach beworben, denn wann habe man schon die Chance, ein solches Großereignis aus der Nähe mitzuerleben. Seitdem zählt er zum Stammpersonal. Dafür nimmt der Handwerker für Heizungs- und Sanitäranlagen jährlich zwei Wochen Urlaub. „Man muss Prioritäten setzen“, stellt Thomas klar. Seit der WM ist das so, das wüssten alle. Er unterstützt das Team von ebenfalls Thomas, pensionierter Polizist und Teamleiter für die Sicherheit.

Normalerweise achten Thomas und Thomas am Renntag darauf, dass nur Zugangsberechtigte auf die Piste kommen und einen strengen Zeitplan einhalten. Da müssen auch namenhafte Funktionäre mal warten, bis alle Freigaben geklärt sind, erzählen die beiden.

Über die steilste Piste Deutschlands

Der Skiweltcup auf der legendären Kandahar hat Tradition: Gestartet wird beim Super-G vorm Himmelreich auf etwa 1.300 Höhenmetern. Anschließend rasen die Athleten direkt in die weniger verträumt klingenden Schlüsselstellen „Eishang“ und „Hölle“. Ihren Namen erhielt die Abfahrt als einer der fünf Austragungsorte des Arlberg-Kandahar-Rennens, das wiederum nach Frederick Roberts, dem Earl of Kandahar benannt ist. Seit 1954 ist Garmisch-Partenkirchen Veranstaltungsort der traditionellen Rennen. Martina Betz verantwortet als Präsidentin des Ski-Weltcup Organisationskomitees und Vorsitzende des Skiclubs ein Team von rund 500 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern.

Der Ski-Weltcup in Garmisch-Partenkirchen steht für Professionalität. Auch am Rennwochenende der Herren betont DSV-Cheftrainer Wolfgang Maier vor dem Publikum mehrfach den wertvollen Einsatz der Heroes rund um die Großveranstaltung. Jeder Ort habe den Anspruch, die beste Piste zu liefern. Er sei aber überzeugt, dass das Team in Garmisch-Partenkirchen im inoffiziellen Ranking den prestigeträchtigen Kitzbühl-Rennen kaum nachstehe. Ein Lob, auf das die Freiwilligen rund um Martina Betz stolz sind.

Rund 18 Kilometer Netze zwischen Himmel und Hölle

Solange sie noch keine Zugänge kontrollieren müssen, helfen Thomas und sein Team im Vorfeld beim Eingraben der B-Netze. Nach den warmen Temperaturen der letzten Tage müssen sie die Lücke zwischen Netz und Piste wieder mit Schnee auffüllen, damit bloß kein Läufer beim Sturz zwischen Piste und Netz durchrutscht. Speziell in den Kurven von Eishang und Hölle, in denen die Fliehkraft am höchsten wirkt, müssen die Netze im Ernstfall bei einem Sturz mit rund 100 km/h eine enorme Energie auffangen. Die Pistenraupe liefert ihnen frischen Schnee an, den das Team mit Schaufeln an den wichtigen Stellen festklopft.

Grob überschlagen kommen für den Herren Super-G etwa 18 Kilometer Netze zum Einsatz. Die Rechnung ist einfach: Drei Kilometer Piste mit je drei Reihen Zäunen auf beiden Seiten der Strecke. An einem Tag bohren die Helferinnen und Helfer die Löcher in den Boden und bauen die so genannten B-Netze auf. Dabei ist das Timing der einzelnen Abschnitte entscheidend. Alles muss zur rechten Zeit am richtigen Ort sein, damit die Ehrenamtlichen flüssig arbeiten können. Etwa 45 Zentimeter tief geht es in den Schnee bzw. am Rand, wo der Schnee dünner wird, in den Boden. Ein zusätzlicher Aufwand, der Mehrarbeit bedeutet, denn durch den Bergfelsen gleitet der Bohrer weniger geschmeidig.

Die freiwilligen Helferinnen und Helfer sind stolz auf das, was sie in diesem Jahr trotz Wärme, Sturm und Regen geleistet haben. Sie haben alles gegeben, damit die Athleten am Rennwochenende eine perfekt präparierte und sichere Piste vorfinden, darauf genehmigen sich Thomas und Thomas später mit ihrem Team eine „Abschlusshalbe“ und feiern ihren Verdienst.

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