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Autor: Olivia Tosi
Fotos: Olivia Tosi

Die Kunst der Falknerei

De Arte Venandi Cum Avibus – Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen, spricht Olivia Tosi mit uns im Interview. Die Luft ist ihr Element. Die 26-Jährige lebt an der Westküste in den USA und ist Hubschrauberpilotin. Ihre Freizeit widmet sie einem ganz besonderem Hobby: Der Falknerei. 

Erzähl uns ein bisschen von Dir – Woher kommst Du und was machst Du beruflich?

Hi! Ich heiße Olivia, ich bin 26 Jahre alt, komme aus dem schönen Schwarzwald. Ich habe zwei große Leidenschaften. Die Erste ist die Luftfahrt: Ich wollte schon immer Pilotin werden. Nach Abschluss meines Wirtschaftsingenieur-Studiums in München beschloss ich, in die USA zu ziehen und mein Helikopter-Flugtraining zu beginnen. Heute bin ich Berufspilotin und Fluglehrerin in Boston. Meine Freizeit widme ich fast ausschließlich meiner zweiten Leidenschaft: Der Falknerei.

Kannst Du erklären, was Falknerei ist?

Falknerei ist die uralte Kunst der Jagd auf Wild in dessen Lebensraum mit Hilfe eines Greifvogels. Wir Falkner nennen das die „Beizjagd“. Allerdings beinhaltet Falknerei nicht nur den jagdlichen Aspekt. Es bedeutet auch die artgerechte Haltung, Pflege, das kontinuierliche Training und den Freiflug des Vogels.

Um dem Tier gerecht zu werden, sollte ein Falkner dem Greifvogel das ermöglichen, wozu dieser durch Millionen Jahre Evolution programmiert wurde: das Jagen von Beute. Dank der Falknerei ist es uns möglich, hautnah Zeuge dieser Jäger- und Beute-Dynamik zu werden, die sich tagtäglich in der Natur abspielt, unseren Augen meist jedoch verborgen bleibt.

Wie bist Du Falknerin geworden?

Ich habe mit der Falknerei bereits 2015 in Deutschland begonnen. Dort habe ich regelmäßig in Greifvogelstationen Adler, Bussarde und Falken trainiert. So habe ich viel über den Umgang, das Verhalten und die Pflege von Greifvögeln gelernt. Meinen ersten eigenen Bussard hatte ich allerdings erst, als ich in die USA gezogen bin. Ich wusste aber durch die gesammelte Erfahrung, was mich vor allem an Arbeit und Zeitaufwand erwartet.

Die Falknerei ist in den USA streng geregelt. Um ein Lehrlingsfalkner (Apprentice Falconer) zu werden und einen eigenen Greifvogel halten zu dürfen, muss man sowohl eine Jagdlizenz, als auch eine Falknerlizenz erwerben. Für die Jagdlizenz belegt man einen Jagdkurs. Für die Falknerlizenz gilt es, eine schriftliche Prüfung zu bestehen. Diese setzt umfassendes Wissen über die einheimischen Greifvogelarten, deren Lebensraum, Haltung, Gesundheit und Beutetiere voraus. Zusätzlich muss der Bewerber eine artgerechte Unterbringung für den Vogel bauen, welche durch die staatliche Jagdbehörde inspiziert wird.

Zuletzt muss man einen Mentor finden: ein erfahrener Falkner (General Falconer) oder Meisterfalkner (Master Falconer), der als Mentor fungiert und sich dazu bereit erklärt, den Apprentice Falconer für mindestens zwei Jahre zu lehren. Erst danach und nach dem Bestehen weiterer Prüfungen kann der Apprentice Falconer zur nächsten Stufe (General Falconer) aufsteigen. Ich habe gerade mein zweites Jahr als Apprentice Falconer abgeschlossen und werde im kommenden Herbst meine Prüfungen zum General Falconer antreten.

Gibt es Unterschiede in Deutschland?

Um in Deutschland Falkner zu werden, muss man zuerst den Jagdschein, dann den Falknerschein absolvieren – ähnlich zu den USA. In Deutschland sind die jeweiligen Kurse und Prüfungen jedoch deutlich zeitintensiver und schwieriger. Das Schüler-Mentor-System gibt es so in Deutschland nicht. In den USA stellt es sicher, dass der unerfahrene Falkner zunächst nicht „unbeaufsichtigt“ und auf sich allein gestellt ist und dadurch der Vogel nie zu kurz kommt. Man kann vieles aus Büchern lernen, um eine Prüfung zu bestehen; die Praxis sieht dann allerdings oft anders aus.

Hast Du mehr als einen Greifvogel, mit dem Du arbeitest und welche Art von Greifvogel hast Du? Wie bekommt man einen Greifvogel?

In den USA darf man als Apprentice Falconer einen jungen Rotschwanzbussard pro Jahr fangen und halten. Der Rotschwanzbussard ist eine der am häufigsten vorkommenden und vielseitigsten Greifvogelarten in den USA. Dabei handelt es sich um einen Jungvogel in seinem ersten Jahr. Rotschwanzbussarde schlüpfen zirka im April. Sie sind nach etwa sechs Wochen voll befiedert, ausgewachsen und etwa ab August unabhängig von ihren Eltern.

Ungefähr 75 bis 80 Prozent der Jungvögel überleben ihren ersten Winter nicht. Das liegt oft an der fehlenden Jagderfahrung, was ihnen in den kalten Monaten zum Verhängnis wird. Die Idee ist daher, einen Jungvogel im Herbst zu fangen, zu trainieren und mit ihm über den Winter hinweg zu jagen. Im Frühling, wenn Temperaturen und Nahrungsangebot steigen, wird der Bussard wieder freigelassen. Somit hat der Vogel jeden Tag eine gesicherte Mahlzeit und sammelt gleichzeitig Jagderfahrung. So hat er bessere Überlebenschancen, wenn er in die Wildnis zurückkehrt.

Ich habe derzeit ein Rotschwanzbussard Weibchen namens ‚Taiga‘, mit dem ich ein sehr erfolgreiches Jagdjahr abschließen durfte. Dieses catch-and-release System ist der Grund, weshalb ich überhaupt einen eigenen Vogel habe. In Deutschland sind Wildfänge nicht erlaubt, man kann ausschließlich gezüchtete Greifvögel halten. Das bedeutet, man kann diese auch nie in die Wildbahn entlassen, sondern muss den Vogel verkaufen, wenn man sich nicht mehr um ihn kümmern kann. Die Falknerei ist ein extrem zeitintensives Hobby und ich würde mich als Pilotin derzeit nicht auf einen Für-Immer-Vogel festlegen wollen, weshalb das System in den USA so gut für mich passt.

Wo findet man Rotschwanzbussarde? Welchen Lebensraum beheimaten sie?

Rotschwanzbussarde kommen fast überall auf dem nordamerikanischen Kontinent vor und ihr Lebensraum reicht von offenen Feldflächen, über tiefe Wälder, bis hin zum Hochhausdschungel in Downtown Manhattan.

Bleibt der Greifvogel immer in der Nähe oder fliegt er auch mal weiter weg? Kommt er leicht zu Dir zurück?

Greifvögel werden normalerweise in einer speziell dafür gebauten Voliere im Garten gehalten. Nach Fangen des Vogels braucht es nur ein paar Wochen Training bis der Vogel komplett frei fliegt, freiwillig zum Falkner zurück kommt und ihm durch den Wald folgt. Ein gut trainierter Vogel bleibt dicht beim Falkner, folgt ihm von Baum zu Baum, stets aufmerksam und bereit zum Jagdflug, falls der Falkner Beute aufschreckt.

Allerdings kommt es durchaus vor, dass der Vogel auch mal Lust auf einen Ausflug hat und sich vom Wind davontragen lässt – meistens, wenn ihm langweilig wird, da der Falkner nicht genug Beute aufschreckt. Das ist natürlich nicht ideal, aber das kann nun mal passieren mit einem Vogel, den man frei fliegen lässt. Man kann es ihnen auch nicht verdenken und zum Glück gibt es heutzutage gute GPS-Technologie, um den Flug des Vogel zu verfolgen und ihn hoffentlich nicht allzu weit weg wieder einzusammeln.

Was ist die größte Herausforderung in der Falknerei und was begeistert Dich am meisten?

Ein Greifvogel ist kein Hund, es existiert keine magische Verbindung oder Freundschaft. Der Vogel ist Opportunist und der Falkner nicht mehr als ein praktisches Werkzeug, durch den er einen höheren Jagderfolg erzielt. Das bedeutet: Sobald der Greifvogel keinen Vorteil mehr im Falkner sieht, ist das Risiko hoch, dass er ihn verlässt. Die größte Herausforderung als Falknerin besteht also darin, den Vogel davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, zu mir zurückzukommen. Für mich heißt das, ich muss meinen Teil des Deals einhalten, dem Vogel so viele Jagdflüge bieten wie möglich und ihm dadurch zum Erfolg verhelfen.

Habe ich jedoch einmal das Vertrauen meines Vogels gewonnen, ist es das unglaublichste Gefühl der Welt, wenn mein Bussard über mir durch die Bäume gleitet und mir auf Schritt und Tritt folgt. Nichts kommt dem gleich, wenn ein Greifvogel, der so einfach davonfliegen könnte, zum Jagdpartner wird und sich jeden Tag erneut dazu entscheidet, bei mir zu bleiben.

Wie viel Zeit verbringst Du mit der Falknerei? Benötigt ein Greifvogel viel Pflege? Was fressen Greifvögel?

Um ein solch eingespieltes Team zu werden, bedarf es sehr viel Zeit und Engagement. Manchmal scherzt mein Mann, dass ich meinen Vogel mehr liebe als ihn, was natürlich nicht stimmt. Aber während der Jagdsaison im Winter verbringe ich durchaus mehr Zeit mit meinem Bussard als mit ihm. Neben meinem Vollzeitjob versuche ich meinen Vogel mindestens jeden zweiten Tag fliegen zu lassen, meistens sogar mehr. Eine Jagd dauert im Schnitt zwei bis drei Stunden. Als Falkner ist es meine Aufgabe, das Leben eines wilden Vogels so gut wie möglich zu imitieren, welcher im Schnitt auch jeden zweiten Tag jagt.

Aber nicht nur Training und Freiflug sind wichtig und zeitintensiv. Die Haltung eines Greifvogels ist deutlich komplizierter als die vieler anderer Haustiere. Neben dem Bau einer großen Voliere, die man sauber halten muss, fallen Arbeiten an wie Futter richten, tägliches Wiegen, Equipment in Stand halten. Ein Greifvogel frisst ausschließlich frisches Fleisch. Mein Vogel bekommt hauptsächlich, was sie erlegt: Kaninchen, Eichhörnchen, Mäuse und Fasan, was ich zusätzlich mit Taube, Wachtel, Eintagsküken und Anderem ergänze.

Die Falknerei konsumiert während der Jagdsaison im Winter fast meine gesamte Freizeit und das Leben kann dadurch etwas geschäftig werden. Wenn ich dann aber draußen im Feld bin, meiner Taiga dabei zusehe, wie sie Kreise am Himmel zieht und die schönste Natur um mich herum habe, würde ich es gegen nichts eintauschen!

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