Das Löschfahrzeug auf einer geschotterten Straße im Sonnenuntergang
Abenteuer
Autor: Hanno Meier
Fotos: Hanno Meier, Natascha Müller

Alter Löscher für neue Einsätze

Der Traum trug einst zwei Buchstaben und zwei Ziffern: LF 16. Ein Löschfahrzeug mit eingebauter Pumpe und in den 70er- und 80er-Jahren oft an vorderster Front im Feuerwehreinsatz. Was Natascha Müller und Flo Kandsperger aus dem alten Iveco machten, sucht Seinesgleichen: Acht Quadratmeter mobiler Wohnraum, huckepack genommen von dem alten Lösch-Truck. Edles Design gepaart mit unglaublicher Funktionalität und alles selbst gebaut! Nach langer Corona-Pause ging es im Herbst endlich auf große Fahrt. Wenn das Paar davon erzählen, träumen nicht nur Feuerwehrleute von solchen Einsätzen.

Flo steht an der offenen Fahrertür

Ihr Feuerwehrauto ist so alt wie sie selbst. Mitten in der Corona-Zeit hatten Natascha Müller und Flo Kandsperger begonnen, das alte LF16 in ein Rolling Home umzuwandeln. Sie weideten den betagten Iveco bis auf die Blattfedern aus, zersägten und schweißten die ursprüngliche Fahrerkabine vom Neunsitzer zum Viersitzer und restaurierten den alten Laster bis zur letzten Schraube. Lediglich den Leercontainer für die Wohnkabine lieferte ein polnischer Hersteller. Alles andere ist Marke Eigenbau. Vom Küchentrakt mit luftgefederter Schließmechanik, Backrohr und Induktionskochfeld bis zur drei Quadratmeter großen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Ins komfortable Doppelbett im Heck strahlt ein schwenkbarer 42-Zoll LED-TV. Die Duschkabine ist mit Nass/Trocken-Trenntoilette ausgestattet. In der komfortablen Dinette eröffnen großzügige Fenster den Panorama-Blick ins Weite. Futuristische Schalter dimmen nachts die indirekte Beleuchtung. Ein Finish wie aus dem Designerstudio. Alles vom Feinsten – und alles seit Monaten startklar, doch alles auf Eis gelegt wegen Corona.

Das Innenleben des umgebauten LF 16: mit Herdplatte, Bett und Sitzecke

Eine Stunde Fahrt

Dann endlich, der 12. September 2021, Nataschas 30. Geburtstag. „Wir sind mit unserem Truck zu meiner Geburtstagsparty gefahren“, lacht die hübsche Bajuwarin, „und von dort sofort los“. Eine Stunde Fahrt, dann erschien Ausschlafen doch als bessere Entscheidung. Die Fährpassage Rostock-Trelleborg war schließlich gebucht. „Am Hafen begann das Abenteuer“, erzählt Flo. „Mit dem LF16 reihst du dich in die Linie der Wohnmobilisten ein und schaust erst mal über alle drüber.“ Doch dann kommt der Einweiser, zieht das bewohnbare Löschfahrzeug raus und „du wartest, bis alle anderen drinnen sind“. Zum Schluss wird’s eng und enger. Spiegel eingeklappt, links und rechts ein paar Zentimeter Luft. „Wir sind praktisch auf der Rampe stehend in die Fähre hochgeklappt worden“, erinnern sich die beiden Wohnmobil-Trucker und zeigen voller Freude ihre Bilder von Skandinavien. Einfach nur unterwegs sein. „Den Iveco kannst du auf jeden Naturparkplatz stellen und dort übernachten“. Das „allemannsrätt“ in Schweden ist weltweit einzigartig. Im Umgang mit der skandinavischen Natur gibt es eine unumstößliche Regel vor: „Nicht stören und nichts zerstören.“ Ansonsten darf sich jeder, egal ob Schwede oder Tourist, großzügig und überall in der freien Natur aufhalten, sogar in Gebieten, die jemand anderem gehören. Dieses Jedermannsrecht gründet im Mittelalter und ist den Schweden heilig. Aber – alter Schwede! Wehe dem, der diese Regel bricht. Wenn es um den Erhalt und die Sauberkeit ihrer wunderschönen Natur geht, kennen die Nordmänner und -frauen kein Pardon. Im Inland nach Norden bis weit über den Polarkreis und entlang der Küste am finnischen Meeresbusen wieder runter, spulte der LF16 seine Reifeprüfung ab. Übernachten an glasklaren Seen, an Flüssen und Küstenlinien, Wandern über Hochmoore, Bergkuppen und Birkenwälder, Wasserfälle und wilde Natur. „Da merkst du erst, wie wichtig gute Schuhe sind“, zwinkert Natascha.

Natascha sitzt auf einem Felsen an einem Fluss im Wald

Der Truck gibt das Tempo vor

Nur 25.000 Kilometer hatte das LF16 beim Kauf auf dem Tacho, war mehr gewartet als bewegt – er wurde ursprünglich für eher kurze Einsatzwege konstruiert. „War absolut kein Problem“, lobt Flo sein „Baby“ und schwärmt von 6.000 Kilometern, „zuverlässig und robust wie ein Traktor“.

Das Innenleben der Wohnkabine hatten die Neulinge im Wohnmobil-Ausbau sorgfältigst geplant, alles zugänglich konstruiert für einfache Wartung. In sensiblen Bereichen installierte Flo Sensoren. Er ist ein Tüftler im besten Wortsinn. Als im Vorfeld ein Kurzschluss die Solarpanel-gespeiste Induktionsplatte lahmlegte und der Hersteller mit dem Feedback auf sich warten ließ, öffnete er die Herdplatte kurzerhand selbst. „Der Fehler war auf den ersten Blick ersichtlich“, sagt der gelernte Goldschmied mit einer Selbstverständlichkeit, die keinen Zweifel zulässt: Ein Problem, für das der 30-jährige keine Lösung finden würde, muss erst erfunden werden.

Am Warmwasser-Boiler erschien ihm die Standarddichtung problematisch. Also ließ er spezielle Schneideringverschraubungen, die sonst bei Hydraulikleitungen Verwendung finden, anfertigen. Nur die flexiblen Gummileitungen der Wasserversorgung ärgerten den perfektionistischen Schrauber auf Jungfernreise mehr als einmal, als seine Wassermelder mitten in der Nacht zum unliebsamen Wecker wurden. „Erschien beim Einbau als die beste Lösung“, sagt er im Nachhinein, aber die Temperaturdifferenzen ließen die Leitungen dehnen und wieder schrumpfen. Dabei sind ein paar Tropfen Wasser ausgetreten, die den Piepser aktivierten. Inzwischen ist alles umgebaut: „Edelstahlleitungen, Pressfitting – eine 100-prozentige Sache“, sagt Flo im robusten Handwerker-Stakkato. Dem nächsten Ausritt steht somit nichts mehr im Weg und möglicherweise auch dem nächsten Wohnmobil-Ausbau auf Basis eines alten Löschfahrzeugs. Denn so eine LF16-Spezialanfertigung, die hätten auch andere gerne. Bewundernde Blicke gab’s unterwegs reichlich und der erste Auftrag ist so gut wie fix.

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