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Autor: Karen Hanne
Fotos: Hanno Meier/ Museen Deggendorf /Inge Fuchs

Heldinnen im Handwerk

Typisch Frau – oder nicht? Die Rolle der Frau im Handwerk gewinnt an Bedeutung. In immer mehr Bereichen, die früher als Männerdomäne galten, nimmt die Zahl der weiblichen Mitarbeiter zu. Tatsächlich gab es schon früher Heldinnen im Handwerk, ihre Rolle unterlag einem stetigen Wandel.

Handwerkerinnen in der Geschichte

Die historische Rolle der Frau im Handwerk lässt sich nur schwer definieren. Es gibt wenig schriftliche Hinweise und anhand von Werkzeugen oder anderen Artefakten lässt sich nicht nachvollziehen, ob diese von Männern oder Frauen genutzt wurden. In der Antike scheinen Handwerkerinnen – zumindest im Römischen Reich – bereits als Goldschmiedinnen, Gastwirtinnen und Herstellerinnen von Luxusgütern emanzipiert gewesen zu sein.

Im Mittelalter waren Frauen im Handwerk ebenfalls beteiligt, meistens im familiären Umfeld. Sie bereiteten beispielsweise Material vor, kämmten Wolle und spannen daraus Garn. Zudem erhielten Witwen von ihren verstorbenen Männern das Handwerksrecht. Meistens heirateten Frauen im Mittelalter aber erneut, um Sicherheit für sich und die Familie zu schaffen. Ab dem 14. Jahrhundert verbot die Zunftordnung, dass Frauen ein Handwerk erlernten. Ein großer Unterschied zu heute: Auch Gewerbe wie die Verarbeitung von Textilien war Männersache. Frauen waren dann oft für die Erziehung der Kinder und Lehrlinge, die Bewirtung und den Ein- und Verkauf zuständig.

Im Wandel der Zeit

Selbst Friseursalons waren bis 1910 eher in Männerhand. Das wandelte sich stark, als sich mit dem Aufkommen modischer Damenfrisuren die Kundschaft von Männern zu Frauen änderte. In der Industrialisierung bildete sich die Frauenrolle als Verwaltungskraft weiter aus. Die Frau des Handwerksmeisters erledigte die Buchführung, kalkulierte Preise und schrieb Rechnungen. Aber Frauen begannen auch, in neuen Gewerben Fuß zu fassen. 1916 gab es Schätzungen zufolge im Deutschen Reich 1.200 Frauen, die zum Beispiel als Mörtelweiber durchaus schwere Arbeiten auf Baustellen übernahmen.

Die Zahl der Handwerkerinnen, die auf dem Bau arbeiten, ist seitdem gestiegen. 2021 waren 9,2 Prozent der Auszubildenden im Bauhauptgewerbe und im Ausbaugewerbe weiblich. 2019 waren es noch 8,1 Prozent. Im gesamten Handwerkssektor ist mittlerweile ein Fünftel der Auszubildenden weiblich.

Luisa knetet den Lebkuchenteig in der Backstube

Mehr Frauen im Handwerk

Viele Handwerkerinnen kommen nicht über eine Ausbildung, sondern als Quereinsteiger in den Beruf. Sie stellen mittlerweile ein Drittel der Arbeitskräfte. Zudem gründen immer mehr Frauen eigene Unternehmen. Beinahe 24 Prozent der Handwerksbetriebe im Jahr 2021 waren in Frauenhand. Vor allem die Berufe, die neben handwerklichem Geschick auch Kreativität erfordern, sind beliebt. 78,9 Prozent der Goldschmiede sind weiblich, ebenso wie 80,5 Prozent der Konditoren. In der Zahntechnik liegt die Frauenquote bei 54,9 Prozent.

Deutlich geringer ist aber beispielsweise der Anteil bei den Tischlern. Auf 15.660 Männer, die 2019 eine Ausbildung zum Tischler machten, kamen 2355 Frauen. Die geringste Quote ist noch immer in der Baubranche zu finden. Unter den Maurern und Betonbauern sind nur gut ein Prozent Frauen. Bei Klempnern und Spenglern sind es gut zwei Prozent. Der Malerberuf ist bei jungen Frauen mit 16 Prozent die beliebteste Tätigkeit in der Baubranche.

Chancen für alle

Es zeigt sich: Frauen können Handwerk. Trotzdem sind viele Gewerke nach wie vor Männerdomäne. Unternehmen, die sich für mehr Frauen im Handwerk einsetzen, können das auch zeigen, zum Beispiel mit dem Siegel: „Handwerk ist hier auch Frauensache“. In einer Umfrage gaben 95 Prozent der Männer an, dass Frauen am Bau einen ebenso guten Job machen würden. 92 Prozent der befragten Frauen bemängelt aber, dass es in der Branche an weiblichen Vorbildern mangelt.

Ein Problem im Handwerk ist die Pay-Gap. Diese liegt im Handwerk sogar einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt. Das heißt, dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen. Lange herrschte außerdem die Meinung vor, Frauen seien nicht stark genug für die körperlich anstrengende Arbeit, beispielsweise auf Baustellen. Allerdings haben sich viele Berufe gewandelt. Technologischer Fortschritt und die Digitalisierung machen heute vieles einfacher – für Frauen und für Männer. Das zeigt beispielsweise unser Besuch bei der Dachdeckerin Chiara.

Quellen: Geschichtspark Bärnau, Handwerksmuseum Deggendorf, ZDH und Handwerk Magazin

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